„Egal, was sonst geschieht – in der ersten Augustwoche hier zu sein, gehört zu den Gewissheiten im Leben, die man sich erkämpft hat.“ Fixpunkt im Jahreslauf und „tiefes Aufatmen“ ist „Musique à l’Emperi“ in Salon-de-Provence für Emmanuel Pahud, den weltreisenden Solisten und Soloflötisten der Berliner Philharmoniker. Kein Urlaub, aber trotzdem eine Zeit persönlicher Freiheit – zu spielen, was und wie er möchte, auch Stücke in Besetzungen, für die im normalen Konzertbetrieb wenig Platz ist. Mit Pianist Eric Le Sage, der aus einem kleinen Ort zwischen Salon und dem nahen Aix stammt, und Klarinettist Paul Meyer stand er 1993 zum ersten Mal im Hof der mächtigen mittelalterlichen Burg Emperi, die sich über der Altstadt von Salon erhebt. Die Akustik war phantastisch, ein Festival geboren.
„Musique à l’Emperi“ ist eine Herzensangelegenheit der drei Musiker, die das Programm jedes Jahr in hunderten Mails zusammenpuzzeln, bevor sie im Hochsommer zwei Dutzend Freunde zur Kammermusik empfangen: Hochkarätige internationale Solisten, Freunde von den Berliner Philharmonikern und aus Pariser Orchestern, dazu handverlesene Nachwuchsmusiker.
Das Spiel der Elemente: Wind vom Meer, Duft von Kräutern
Starrummel gibt es nicht. Man wohnt samt Familien in einer Ferienanlage mit ausreichend Proberäumen, isst bei Zikadengesang unter Platanen zu Mittag und hält die nachmittägliche Generalprobe im Burghof in Shorts und Flip Flops ab. Als „offen und geschützt zugleich“ beschreibt Pahud sein Grundgefühl bei den Konzerten. Am Abend umgibt die Festung die kleine dreieckige Bühne im zweiten Hof wie ein Windlicht. Wenn der Mistral bläst, hat das Publikum gerade so viel Kontakt mit den abrupten Böen, dass es sich eingewickelt in die Leihdecken geborgen fühlen kann. Die Spieler sichern ihre Noten geübt mit diversen Wäscheklammern. Der Flötist liebt das Spiel der Elemente: „Mal kommt die Luft vom Meer, mal vom Gebirge – das Musizieren ist jeden Abend anders.“ Vor ein paar Jahren haben sie die Proben für ein zeitgenössisches Stück wegen des transportaufwendigen Schlagwerks kurzerhand gleich in den kleinsten Hof der Festung verlegt, mitten in den morgendlich duftenden „Garten des Nostradamus“ mit seinen Kräutern und Heilpflanzen. Die alljährliche Rückkehr ruft viele Erinnerungen wach: „Wir waren fast noch Teenager, als wir das Festival gegründet haben. Es ist immer auch ein Ausflug in die eigene Vergangenheit.“
Das diesjährige Motto: „L‘amour“ in allen Facetten – von Schumann bis Debussy
Allerdings bleibt wenig Zeit für Nostalgie. Bei zwei Konzerten pro Abend verhindert der dichte Probenplan manchmal sogar den raschen Sprung in den Pool. Um 18 Uhr treten die Musiker solistisch, als Duo oder Trio in der romanischen Kirche St.-Michel am Fuß des Burgbergs auf. „Carte blanche“ lautet hier das Motto. Manche Programmpunkte – etwa Bachs Cellosuiten, interpretiert von Julian Steckel und Zvi Plesser – stehen schon fest, anderes wird kurzfristig entschieden. Nach einem wesentlich kürzeren Abendessen, als es Franzosen lieb ist, beginnt fürs Publikum um 21 Uhr im Hof der Emperi das große Konzert. In diesem Jahr widmet man sich „L’amour“ in allen Facetten, von Rameau über Schumann bis Phillipe Hersant. Debussys ekstatisch träumender Faun und seine „Chansons de Bilitis“ sind hier im Süden ganz zu Hause, die einzelnen Abende tragen ihre programmatischen Titel „Serenaden und Romanzen“, „Frauenliebe und -leben“ oder „Capriccio“ locker wie Sommerkleider. Darauf Champagner unter van Goghschem Sternenhimmel!
29.7. – 8.8.2014
Salon-de-Provence
Ausführende: Daishin Kashimoto, Lise Berthaud, Amihai Grosz, Guy Braunstein, Julian Prégardien, Alexander Sitkovetsky u. a.
Was es im Bereich Festival außerhalb von Salon-de-Provence zu entdecken gibt, stellen wir Ihnen in unserem Festivalguide vor.