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FESTIVALGUIDE West Cork Chamber Music Festival 2015

Bäuerliche Musikwirtschaft

Sanfte Töne an der rauen irischen Südwest-Küste: Beim West Cork Chamber Music Festival geben die Schafe den Ton an

vonAnnette Zerpner,

Rindviecher und Musiker – das vertrug sich nicht. Nach der ersten Saison „West Cork Chamber Music“ musste der „musikliebende Bauer“, wie sich Francis Humphrys selbst nennt, eine Entscheidung treffen: Also habe er damals die Milchkühe verkauft, erzählt der Engländer. Die Schafe dagegen durften bleiben: Kein stressiges Melken am Morgen und die Schur ist vorbei, bevor bei der Festivalorganisation die heiße Phase beginnt. Dass der Festivaldirektor in Oxford und London Philosophie, Politik und Ökonomie studiert hat, unterschlägt der Engländer – britisches Understatement. 

Dafür brachte er eine Leidenschaft für Konzerte und Oper mit, als er in den 1970er Jahren im irischen Südwesten einen Hof übernahm. Hier, nahe des Küstenstädtchens Bantry, gibt es phantastischen Fisch aus der Bantry Bay, winzige, farbig gestrichene Häuser, zahllose Boote, einen berühmten Garten und rasch wechselndes Wetter – mit diesem besonders feinen irischen Regen, den man immer wieder vergisst, bis er einen völlig durchnässt hat. 

 

Eine Konzertkasse in der Diele und handgeschriebene Tickets

 

Was Humphrys vermisste, war klassische Musik. Also begann er irgendwann, einzelne Konzerte im örtlichen Herrenhaus zu organisieren. Ein paar handgemalte Plakate, in der Diele daheim stand die Konzertkasse und Vorverkauf bedeutete, die Namen der Kartenkäufer auf Zettel zu schreiben …

 

„Verrückt“, aber zufrieden

 

Lang, lang ist’s her, wie der üppige Umfang des aktuellen Festivalkatalogs offenbart, den Humphrys auf den Tisch im Erfrischungszelt neben der Kirche St. Brendan legt. Dort ist gerade das morgendliche „Coffee Concert“ zu Ende gegangen, erstes von fünf Konzerten an jedem der neun Festivaltage; hinzu kommen Gespräche und Meisterklassen für Streichquartette überall im Ort. Klar, dass solch eine Professionalisierung nicht nur reichlich Zeit erforderte: „Ein Kuratorium, eine Stiftung, Sponsoren – all das mussten wir erst aufbauen und finden“, erzählt Humphrys, der sich bis heute ums Künstlerische wie ums Geschäftliche kümmert. „Und man braucht jemanden im Parlament, der sich einsetzt.“ Bei all dem sei er schon ein bisschen verrückt geworden“ …

 

Was ihn indes nicht davon abhält mitzulachen, wenn angesichts ausverkaufter Konzerte jedes Jahr wieder die Frage auftaucht, ob man nach dem „Late Night Concert“ nicht noch eine „Late Late Night“-Version um Mitternacht einführen sollte. Zuzutrauen wäre das Humphrys auf jeden Fall. 

 

Die Festivaldaten im Überblick:

 

Zeitraum: 26.6. – 4.7.2015

Ort: Bantry, Co. Cork, Irland

Künstler: Marc Coppey, Brett Dean, Alina Ibragimova, Hervé Joulain, Alexander Melnikov, Borodin Quartett u. a.

 

Weitere Infos erhalten Sie hier.

Was es im Bereich Festival noch zu entdecken gibt, stellen wir Ihnen in unserem Festivalguide vor.

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