Berühmt ist Nuria Rial für ihre Interpretationen von Werken des 18. Jahrhunderts – dabei wuchs die Sopranistin dereinst mit Jazz und Broadway-Melodien auf. Denn in ihrem Elternhaus in Manresa, eine halbe Autostunde nördlich von Barcelona gelegen, war eben dies die Musik, die ihr Vater gerne hörte. Und auch in der Schule wäre wohl keiner auf die Idee gekommen, dass die Spanierin eines Tages als Sängerin im Bereich der Barockmusik gefeiert würde: Ihre Lehrer hatten die Teenagerin eigentlich von einem Sprachenstudium überzeugen wollen …
Mit der Mandoline auf der Spur vergessener Werke
Doch ihre Leidenschaft für Arien hatte Rial schon zu Schulzeiten während ihres Klavier- und Gesangsunterrichts entdeckt – und ging fortan konsequent ihren Weg in die Alte Musik. Schon während der Ausbildung auf dem Konservatorium in Barcelona „habe ich mit ein paar Ensembles dieses Repertoire oft gemacht. Ich merkte, dass es zu mir passte“, erinnert sich die Sängerin im Rückblick. Da lag es nahe, dass sie anschließend zu Kurt Widmer an die Musikhochschule Basel wechselte, wo schon rein geografisch beste Verbindungen bestehen zur Schola Cantorum Basilensis: der berühmten Alte Musik-Kaderschmiede. „Ich habe immer darauf vertraut, dass interessante und schöne Projekte kommen – und so war es dann auch“, erzählt die Sängerin. „Die Musik des 18. Jahrhunderts ist sehr im Detail gestaltet, sie hat viele Nuancen und feine Schattierungen: Das liebe ich.“
Ein Faible für den Reichtum der Alten Musik, dem auch ihre Zusammenarbeit mit dem Ensemble Artemandoline des spanisch-luxemburgischen Mandolinenspielers Juan Carlos Muñoz entsprungen ist: Sucht dieser doch unaufhörlich in Archiven nach heute vergessenem Repertoire für sein Instrument – schließlich erfreute sich die Mandoline dereinst in der höfischen Musik großer Beliebtheit. Bei einem Gastspiel in Luxemburg hatte Rial die Musiker des Ensembles kennengelernt, die gegenseitige Sympathie ließ rasch den Wunsch nach einem gemeinsamen Projekt keimen. Wenngleich die Sopranistin anfangs durchaus skeptisch war: „Ich dachte zunächst, mit der Mandoline könne man nur ein bisschen Pling-Pling-Musik machen“, gibt sie zu. „Aber da lag ich falsch, denn als ich von Juan Carlos die Noten bekam, sah ich, dass dies alles interessante Stücke waren, wunderbare Musik.“ Das Ergebnis ist nun auf dem Album Sospriri d’amanti zu hören, Instrumental- und Vokalwerke von Hasse bis Händel und von Paisiello bis Mozart, darunter zahlreiche Ersteinspielungen. Was einmal mehr ihre erfrischende Offenheit für Neues widerspiegelt, die auch vor Auftritten mit Jazz-Combos nicht zurückschreckt oder sie Werke der spanischen Renaissance wie der klassischen Moderne singen lässt.
Statt Workout im Fitnessstudio jätet Nuria Rial lieber Unkraut
Gegensätze, die Rial privat ebenfalls liebt: Die Spanierin und ihre Familie leben zwar in einem Dörfchen im Südwesten Deutschlands, nahe der Grenze zur Schweiz; doch lassen es die Schulferien und die Arbeit zu, geht es auf eine kleine Finca in Castellón südlich von Katalonien – das ursprüngliche Landleben genießen. Auftanken in der Natur, obendrein in der Sonne Spaniens und am Meer: „Ich möchte meinem Sohn vermitteln, dass er auch südländische Wurzeln hat und eben diesen Süden auch erlebt“, sagt sie. Natürlich zieht es die Musikerin auch hierzulande in die Natur, liebt sie es etwa, am Rhein spazieren zu gehen oder im Garten ihre Hände in die Erde zu stecken. Allein die Motivation ist hier eine etwas andere: „Gartenarbeit“, sagt Rial lachend, „hält Körper und Geist fit.“