Sommerzeit ist Festivalzeit, kaum eine Region, in der nicht zumindest ein paar Konzerte in reizvollem Ambiente stattfänden. Und so hat die Festival-Dichte hierzulande denn auch einen Grad erreicht, der von den Veranstaltern ob der zahlreichen Mitbewerber Flexibilität und flottes Marketing erfordert: Spezielle Örtlichkeiten, Angebote für Kinder und Jugendliche, Crossover-Projekte und ungewöhnliche Konzertformate gehören da fast schon zum Standard der Festivalmacher.
Ganz anders im französischen Colmar: Das dortige Internationale Musikfestival setzt auch in seiner 27. Ausgabe auf Bewährtes – das Konzept, das der künstlerische Leiter Vladimir Spivakov bei seinem Amtsantritt 1989 entwickelt hat, ist bis heute nahezu unverändert geblieben. Ein Schwerpunktthema, das einem Komponisten oder Interpreten gewidmet ist, sorgt alljährlich für einen roten Faden im Programm und damit auch für Abwechslung.
Widmungsträger in diesem Jahr ist der 2012 verstorbene französische Trompeter Maurice André – und mit seinem Sohn Nicolas sowie mit Bernard Soustrot und Guy Touvron treten beim Konzert des Württembergischen Kammerorchesters in der Kapelle St. Pierre gleich drei seiner Schüler auf. Indes machen Werke für Trompete nur einen geringen Teil des Gesamtprogramms aus: Wie jedes Jahr dominiert das russische Repertoire, zudem ist auch viel Französisches und Deutsches in Colmar zu hören – Neue Musik dagegen so gut wie gar nicht.
Dafür lassen sich in den Mittagskonzerten im Koïfhus mitten in der Altstadt für wenig Geld junge Talente mit Kammermusik erleben. Vor drei Jahren fiel hier etwa die fabelhafte Geigerin Vineta Sareika mit dem Trio Dali auf – inzwischen ist die Lettin Primaria des renommierten Artemis Quartetts. Auch ihre deutsche Kollegin Arabella Steinbacher war schon zu einem frühen Zeitpunkt ihrer Karriere in Colmar zu Gast: Festivalleiter Spivakov hat offenbar ein Händchen für junge Talente. Jeden Tag gibt es ein- bis zweimal Kammermusik sowie ein großes symphonisches Konzert in der Kirche St. Matthieu mit Schwergewichten des Repertoires; die Preise sind relativ niedrig, die Kleidung eher leger – dennoch sind junge Zuhörer kaum zu sehen. Ebenso wenig wie Werkeinführungen oder Programmtexte: Vermittelt wird hier nichts. Dies schön altmodische Festival vermittelt sich selbst – und wird vom Publikum sehr gut angenommen. Dies- und jenseits der Grenze, die in Colmar nicht weit weg ist, und so ist im Publikum denn auch viel Deutsch zu hören.
Mehr als nur ein Konzertort: In der Altstadt laden Cafés zu Flammkuchen und Wein ein
Ein Kulturaustausch zwischen den beiden Ländern, der 1979 noch nicht so selbstverständlich war, als Karl Münchinger mit seinem Stuttgarter Kammerorchester das Musikfestival gründete. Ebenso blieb es Spivakov auch überlassen, für eine größere internationale Ausstrahlung des Festivals zu sorgen: Heute gibt hier alljährlich Grigory Sokolov einen seiner begehrten Klavierabende, in diesem Sommer sind zudem mit dem Brüderpaar Renaud und Gautier Capuçon sowie dem Pianisten Jean-Yves Thibaudet weitere internationale Topstars zu erleben. Dazwischen aber lohnt ein Gang durch die malerische Altstadt Colmars, ein Besuch des Isenheimer Altars in der Dominikanerkirche oder auch in einem der zahlreichen Cafés, um dort einen Flammkuchen mit einem Glas Pinot Gris zu genießen. Schließlich lauscht ein gefüllter Magen am Abend gleich noch einmal so gern.
Die Festivaldaten im Überblick:
Zeitraum: 3.7.2015 – 14.7.2015
Ort: Colmar
Künstler: Jean-Yves Thibaudet, Grigory Sokolov, Frank Peter Zimmermann, Antoine Tamestit, Renaud Capuçon u. a.
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Was es im Bereich Festival noch zu entdecken gibt, stellen wir Ihnen in unserem Festivalguide vor.