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Blickwinkel: DieOrdnungDerDinge – Preisträger des TONALi-Award

„Wir komponieren auch für das Auge“

DieOrdnungDerDinge ist ein Berliner Musiktheater-Ensemble, das Konzertinszenierungen zu aktuellen wissenschaftlichen oder gesellschaftlichen Themen entwickelt. Gerade hat es den TONALi-Award „Mut zur Utopie“ gewonnen.

vonSusanne Bánhidai,

Wie kam es zur Namensgebung Ihres Ensembles – der Titel erinnert an ein berühmtes Buch von Michel Foucault…

Iñigo Giner Miranda: Die Namensgebung hat einen formalen Grund. Der französische Originaltitel des Buches heißt wörtlich übersetzt „Wörter der Dinge“. Die deutsche Übersetzung „Die Ordnung der Dinge“ fand ich sehr poetisch, nach diesem Titel habe ich auch mein erstes Bühnenstück benannt. Musik war damals wie heute für mich eine Ordnung im schönsten Sinne des Wortes: die Harmonie von Elementen wie Rhythmus, Klang, Wörter und Aktionen. Und nach unserem ersten gemeinsamen Stück heißen wir nun fast so wie das Buch. Wir haben die Wörter in eine leicht andere Ordnung gebracht und lassen die Leerzeichen weg: DieOrdnungDerDinge. 

Inwieweit passt der Name zu Ihnen? 

Cathrin Romeis: Die Ordnung hinter den Strukturen zu hinterfragen und ironisch auf die Bühne zu bringen, ist der Ansatz für alle unsere Arbeiten. Wir ordnen die Dinge so, dass sie sich gegenseitig verstärken. Bei uns sind das eben nicht nur Klänge, sondern viele außermusikalische Elemente wie Licht, Requisiten und Aktionen. Wir komponieren auch für das Auge, nicht nur für das Ohr.  

Warum reicht es Ihnen nicht, nur Musik auf die Bühne zu bringen? 

Giner Miranda: Für mich war Musik schon immer interdisziplinär. Auf einer Bühne ist immer noch etwas anderes außer Musik.

Romeis: Diese anderen Elemente eines Konzertes spielen in manchen Genres eine viel größere Rolle. Besonders in der U-Musik ist die Betonung außermusikalischer Elemente wie Bühne, Kostüme oder Show oft sehr groß. Wir heben hervor, dass das auch im klassischen Bereich eine große Rolle spielt, und zwar nicht nur beim traditionellen Virtuosentum. Wir glauben auch, dass die Einbindung von benachbarten Künsten wichtig ist, um das Publikum zu erreichen.

Wie inspirieren Sie sich für Themen? 

Romeis: Die Themenfindung entsteht im Gespräch. Einer von uns ist jedoch immer federführend und übernimmt die Leitung. Dann tauchen wir intensiv in die Recherche ein, um für das Publikum eine Form zu finden, die das Komplexe unterhaltsam macht. Anfänglich wollten wir vor allem zeitgenössische Musik so präsentieren, dass sie mehr Menschen anspricht und nicht als anstrengend wahrgenommen wird. Jetzt setzen wir uns auch mit Ritualen auf der Bühne auseinander oder verarbeiten Themen, die um uns herum sind.

Sie sind als künstlerische Grenzgänger in der Szene bekannt. Wodurch fühlen Sie sich begrenzt? 

Romeis: Um ein Thema zum Leuchten zu bringen, können wir uns überall bedienen.  Dann kommen je nach Projekt andere Spezialisten hinzu, wenn wir zum Beispiel etwas mit Videokunst machen wollen. Das ist immer eine Bereicherung für unser Kollektiv. Wir loten Grenzen aus, was aber kein Ziel an sich ist. Das Thema, das wir bearbeiten, gibt einen Rahmen vor.

Giner Miranda: Manchmal ist es schwer, in der kulturellen Landschaft wahrgenommen zu werden, weil wir so interdisziplinär arbeiten. Für das klassische Musiktheatersind wir zu konzertant, für ein Konzerthaus zu theatral. Da wünsche ich mir weniger Grenzen in den Köpfen der Veranstalter. 

Da hilft Ihnen sicher der Preis von TONALi. 

Romeis: Wir freuen uns sehr über die Aufmerksamkeit. Wir waren immer gut beschäftigt, wurden aber stets als Geheimtipp gehandelt. Die Wertschätzung für unsere Art der Arbeit ändert sich langsam. Wir glauben, dass der Bedarf nach diesen Formaten wächst. 

Wohin entwickelt sich das Konzertleben aus Ihrer Sicht? 

Giner Miranda: In unserer Gesellschaft gibt es ein großes Bedürfnis nach dem gemeinsamen Erleben von Musik. Und eines nach kreativen Formaten dafür! Wir erleben uns als Pioniere, die frischen Wind in das klassische Konzertleben bringen.

Romeis: Viele Menschen hängen selbstverständlich auch am traditionellen Konzert. Das ist sehr wichtig und hat absolut seine Daseinsberechtigung. 

Wie ist Ihr Ensemble als Preisträger beim Festival präsent?

Romeis: Dieses Jahr nehmen wir den Preis am 30. Juni auf dem TONALi Campus entgegen, stellen uns vor und nehmen Kontakt zum Publikum auf. Wir beginnen unsere Residency und freuen uns, dort zum nächsten TONALi-Festival 2025 zu inszenieren. Da wir bis jetzt überwiegend Kammerformate bedient haben, ist das eine schöne Herausforderung.

concerti-Tipp:

Digitaler Wanderführer durch die Welt der musikalischen Begriffe von DieOrdnungDerDinge


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