Gerade mal einen Monat ist es her, dass das Festspielhaus Baden-Baden eine Neuerung in seiner Publikumsstruktur vermeldete: Das Schulprojekt „Kolumbus – Klassik entdecken“, das jährlich rund 3.000 Schüler der Stadt in das Konzert- und Opernhaus lockt, soll ab sofort erweitert werden und nunmehr auch junge Menschen auf der anderen Seite des Rheins, sprich: Schüler aus dem Elsass, anlocken. Natürlich sind kulturelle Education-Programme keine Neuerfindung aus Baden-Baden, doch steht in diesem Fall keine staatliche Institution mit Bildungsauftrag hinter diesem Projekt. Stattdessen kommt es, wie auch der gesamte Konzert- und Opernbetrieb selbst, ohne Subventionen aus und trägt sich privat.
So war es auch kein Landes- oder Kommunalpolitiker, sondern der Präsident des baden-württembergischen Industrie- und Handelskammertags, Wolfgang Grenke, der sich zu einem Statement hinreißen ließ und hervorhob, dass kulturelle Bildung auch positive Effekte für die Wirtschaft hätte. 2001 startete das „Kolumbus“-Projekt, Kooperationspartner war schon damals die Grenke AG, die der Unternehmer 1978 gegründet hatte.
Natürlich ist das Mantra des Festspielhauses, komplett ohne öffentliche Zuschüsse auszukommen, nicht ganz richtig, da Miete und Instandhaltung des Gebäudes jeweils zur Hälfte von Stadt und Land getragen werden. Dennoch sind es rund 2.000 Privatförderer, die das Programm des Festspielhauses jährlich mit rund acht Millionen Euro unterstützen, der Rest des Budgets wird über Kartenverkauf, Gastronomie und Rechteeinnahmen erwirtschaftet. Insofern ist es gewissermaßen das Publikum selbst, das sich das Festspielhaus finanziert.
Festspielhaus Baden-Baden: zweitgrößtes Opernhaus Europas
Das Wort „Festspielhaus“ ist übrigens irreführend. Zunächst einmal ist es nämlich kein Haus der Musik, sondern der ehemalige Stadtbahnhof Baden-Badens. Außerdem ist es hier außerhalb der drei jährlichen Festspielphasen alles andere als ruhig. Dann nämlich herrscht hier ein ganz regulärer Spielbetrieb mit Klassik-, Jazz- und Crossoverkünstlern, die man normalerweise in deutlich größeren Städten und Metropolen antrifft. Da vergisst man leicht, dass die Kulturstätte (die übrigens nach der Opéra Bastille in Paris das zweitgrößte Opernhaus Europas ist) schon wenige Wochen nach der Eröffnung im April 1998 kurz vor der Pleite stand und zum Gespött der deutschen Kulturlandschaft wurde. Es fehlte schlicht: das Publikum.
Als nur ein paar Hundert Besucher den riesigen Konzertsaal besuchten, um Sir John Eliot Gardiner zu erleben, tat dieser grimmig kund, nie wieder hierher zu kommen. Dass man den Namen des britischen Stardirigenten nun doch wieder auf dem Spielplan vorfindet (Anfang des Jahres gastierte er beispielsweise mit dem London Symphony Orchestra), ist auch dem unermüdlichen Eifer der Verantwortlichen geschuldet, die aus dem als „maroden Musentempel“ verschrienen Haus jene sich selbst tragende Institution formten, die dem mondänen Kurstädtchen ein finanziell abgesichertes Kulturleben auf Spitzenniveau garantiert.
Das Festspielhaus Baden-Baden im Porträt: