Fragt man die Meininger, würden sie sich wohl als Theater mit Stadt bezeichnen denn als Stadt mit Theater. Und tatsächlich wirkt das Staatstheater mit seinen knapp 730 Plätzen bei fast 25.000 Einwohnern im positiven Sinne überproportioniert, weshalb der Beiname „Theaterstadt“ völlig berechtigt ist. Das wissen nicht nur die Kulturfreunde in Meiningen zu schätzen: Aus ganz Deutschland kommen die Zuschauer, weil sie die Qualität der Produktionen und Konzerte zu schätzen wissen.
Diesen hohen Standard hat das Staatstheater Meiningen vor allem seinem „Theaterherzog“ zu verdanken: Herzog Georg II. von Sachsen-Meiningen galt als Reformer und Förderer der Theaterkunst, betätigte sich als Theaterleiter, Regisseur und Bühnenbildner und förderte die Musik. Die besten Plätze im Theater, die Mittelloge im ersten Rang, gehörten nicht ihm, sondern dem Publikum. Er selbst saß lieber seitlich zur Bühne, so dass er im direkten Kontakt zu den Darstellern stehen und das Publikum im Blick haben konnte. „Er hat so viel für Meiningen und die Region getan und viel Visionäres entwickelt. Das ist bis heute noch in der DNA der Meininger verankert. Ich habe selten erlebt, dass sich Menschen so sehr mit ihrem Theater identifizieren“, erzählt Clara Fischer, Mitarbeiterin der Kommunikationsabteilung des Theaters. Als der Sohn des Theaterherzogs nach dessen Tod das Theater schließen wollte, sind die Meininger auf die Barrikaden gegangen und haben sich für den Erhalt ihres Kulturhauses eingesetzt – mit Erfolg.
„Das hat alles dazu geführt, dass die Meininger noch immer sehr stark mit ihrem Staatstheater verbunden sind“, so Fischer. Ensemblemitglieder erzählen freudig, dass sie in der Eisdiele mal eine Extrakugel Eis bekommen. Während der Pandemie hat außerdem ein regionaler Gastronom kurzerhand einen Getränkestand auf den Theatervorplatz aufgestellt, damit das Publikum während der Pause im wahrsten Sinne nicht auf dem Trockenen sitzt.
Das Gemeinschaftsgefühl ist da
Auch Christine Zart, Schauspielerin und Sängerin, erinnert sich an einen besonderen Moment mit dem Publikum: „Wir haben ,Heiße Zeiten’ aufgeführt. Das ist ein sehr beliebtes musikalisches Stück über die Wechseljahre.“ Gerade als Zart nach einer Szene von der Bühne abgegangen ist, gab es plötzlich einen Stromausfall. „Erst einmal dachten alle, dass das zum Stück gehört, deswegen waren sie ganz ruhig, bis sie merkten, dass nichts mehr passierte.“ Die Schauspielerin habe die Zuschauer dann dazu gebracht, mit ihr zu reden und zu singen. „Seither bekomme ich regelmäßig Feedback von ihnen, dass das eine der besten Vorstellungen ihres Lebens war“, sagt sie lachend. Das Gemeinschaftsgefühl sei einfach da gewesen.
Grund genug für die Mitarbeiter des Staatstheaters, ihre treuen Besucher zum Publikum des Jahres 2022 zu nominieren.