Worin unterscheiden sich Profi- von Laienmusikern? In der Qualität der musikalischen Ausübung? Mag sein. In ihrem Engagement? Gut möglich. Denn das ist bei jenen Menschen, die aus reiner Herzenslust musizieren, oft größer als bei denen, die beruflich in Orchester und Chöre eingebunden sind. Dieser Verdacht jedenfalls drängt sich auf bei Vox Nova, jenem Laienchor, der nun schon im fünfzehnten Jahr die Stadt München – nomen est omen – mit einer „neuen Stimme“ beglückt und darüber hinaus Konzertreisen bis in den Hohen Norden, nach Dänemark und Norwegen, unternimmt.
„Wir wollen nicht nur schöne Töne singen, sondern auch gestalten und somit die Strukturen der Musik aufdecken“, sagt Barbara Lucke, die den Projektchor im Jahr 2010 zusammen mit ihrem Ehemann Florian Glas gegründet hat. Damit formuliert die studierte Mathematikerin und Physikerin, die hauptberuflich als Projektmanagerin arbeitet, einen Anspruch, der tiefer greift als das bloß erbauliche Absingen einer Partitur. Und das bei einer Arbeitsweise, die allen Beteiligten größte Eigenverantwortlichkeit abverlangt: So müssen die Sängerinnen und Sänger, deren Stellen für jedes Projekt neu ausgeschrieben werden, den Notentext komplett selbst einstudieren, um für die üblichen drei Probenwochenenden gut präpariert zu sein. Auch die Dirigenten, die ihren Job in der Regel professionell ausüben, wechseln ständig. Dabei reagiert man auf Anfragen von außen, entwickelt aber in jeder Spielzeit auch drei Programme in Eigenregie. Dass gewöhnliche Chorkost für den Durchschnittsgeschmack hier eine absolut untergeordnete Rolle spielt, wird schon bei einem flüchtigen Blick auf das Repertoire klar.
Vox Nova schmeichelt dem musikalischen Entdeckergeist
Ob in „Capriolen“ die Klangwelt rätoromanischer Naturdarstellungen aufs Tablett kommt, man die „Erlösung“ zwischen geistlichen Gesängen aus Renaissance und Moderne sucht, oder unter dem Motto „Nordlichter“ und mit einem norwegischen Dirigenten Skandinaviens Chormusik in der des Baltikums gespiegelt wird – immer spannt die passionierte Sängerin und Organistin Barbara Lucke für Vox Nova einen roten Faden, der sich zu verfolgen lohnt und der dem musikalischen Entdeckergeist auf raffinierte Weise schmeichelt. So dominiert der Begriff „niveauvoll“ zwar die Wortwolke, die auf Facebook die Publikumsmeinung zu Vox Nova widerspiegelt, aber ebenfalls in prominenter Größe vertreten ist die Einordnung „jenseits des Mainstreams“.
Obwohl selbst im ständigen Wechsel begriffen und im Wortsinn auf vielen Hochzeiten singend, erreicht Vox Nova mit seinem hohen Qualitätsstandard, seinen engagierten Sängerinnen und Sängern und seinen überraschenden Programmen eine begeisterte und treue Zuhörerschaft, in der sich naturgemäß auch viele Singende früherer Projekte wiederfinden. Enger kann man denen, für die man auftritt, wohl kaum verbunden sein, womit der A-cappella-Chor allemal ein würdiger Anwärter auf den Preis „Publikum des Jahres 2023“ ist.