2013 habe ich ein Konzert mit dem Los Angeles Philharmonic in der Hollywood Bowl gegeben, einer großen Freilichtbühne mit über 10.000 Zuschauern. Ich habe Tschaikowsky gespielt, und während des ersten Satzes hat ein Mann seiner Freundin einen Heiratsantrag gemacht – sie hat auch ja gesagt! Das hat er natürlich nicht spontan gemacht, weil das Stück so schön war, sondern er hatte das richtig geplant. Ich denke, es hat alles so geklappt, wie er sich das erhofft hatte, auch wenn ich nicht weiß, wie die Ehe jetzt läuft.
In den meisten Konzertsälen ist ja eher formellere Stimmung, während bei solchen Open-Air-Konzerten, insbesondere in der Hollywood Bowl, alles etwas lockerer ist. Beim Spielen habe ich natürlich vom Heiratsantrag nichts mitbekommen, denn vor allem in der Hollywood Bowl ist man sehr weit weg vom Publikum. Aber in der Pause hat man mir davon erzählt, und ich bin dann zu dem Paar gegangen und habe den beiden gratuliert, weil ich das total schön fand!
Augustin Hadelich: In Deutschland wird länger geklatscht als in den USA
Ansonsten gibt es natürlich Orte, an denen ich schon so oft aufgetreten bin, dass ich dort Leute aus dem Publikum wiedererkenne. Besonders wohl fühle ich mich in Seattle an der Westküste der USA. Ich habe schon oft mit dem Seattle Symphony gespielt und habe immer den Eindruck, dass ich zu alten Bekannten zurückkehre. In New York, wo ich seitfünfzehn Jahren lebe, bin ich vor meinen Auftritten, ehrlich gesagt, immer etwas angespannt. Es ist doch etwas anderes in seiner Heimatstadt zu spielen, wenn Freunde und Bekannte im Publikum sitzen.
Was mir auch immer auffällt, ist, dass das Publikum in manchen Ländern wie in den Niederlanden oder den USA beim Schlussapplaus sehr gerne aufstehen und der Applaus sehr stark ist, aber nicht so lange anhält. In Deutschland ist das Aufstehen eher unüblich, dort wird nur geklatscht, dafür aber gerne länger. Ich habe deswegen aus Erfahrung gelernt, mir in Deutschland bei den Verbeugungen und dem Gang von der Bühne und zurück mehr Zeit zu lassen, während ich mich in den USA ziemlich schnell bewegen muss, weil der Applaus zwar sehr intensiv ist aber dafür kürzer.
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