Wie verschafft man sich in Zeiten von Facebook und Instagram auch ohne soziale Medien die nötige Aufmerksamkeit? Um seine Besucher für die Abstimmung zum „Publikum des Jahres 2018“ zu motivieren, hat das Südwestdeutsche Kammerorchester Pforzheim ganz einfach auf die klassischen Mittel zurückgegriffen: Handzettel, Aufrufe in Programmheften, Mundpropaganda. Trotz des nur sehr kleinen Organisationsteams haben sich alle Mitarbeiter und selbst die Musiker mächtig ins Zeug gelegt, um ihr Publikum zu motivieren. Und so wundert es nicht, dass nach der Zugabe bei einem Konzert sogar der Gastdirigent persönlich für die Aktion geworben hat.
Treu und verbunden: Das Publikum des Südwestdeutschen Kammerorchesters Pforzheim
„Das Pforzheimer Publikum zeichnet eine ganz besondere Treue und Verbundenheit zu seinem Kammerorchester aus“, berichtet Geschäftsführer Andreas Herrmann gut gelaunt. „Von den über 700 Abonnenten der Konzertreihe im Großen Saal des Pforzheimer CongressCentrums sind viele zum Teil über Jahrzehnte und in manchen Fällen sogar seit der Gründungszeit des 1950 ins Leben gerufenen Kammerorchesters dabei”, verrät Herrmann. „Einer unserer langjährigen Besucher und Unterstützer, der jetzt 85-jährige Pforzheimer Schmuckunternehmer Dr. Herbert Mohr-Mayer, berichtet heute noch gern aus dieser Zeit, als er selbst als Jugendlicher Geigenschüler des Orchestergründers Friedrich Tilegant war.“
Der Hindemith-Schüler Friedrich Tilegant erhielt mit seinem Ensemble schon bald internationale Anerkennung. Es war sogar die Rede vom typischen „Tilegant-Sound“, der bei Festspielen in Salzburg, Luzern und Leipzig sowie auf weltweiten Konzertreisen zu hören war. Nach der Tilegant-Ära wurde das Orchester vor allem durch Paul Angerer, Vladislav Czarnecki und Sebastian Tewinkel geprägt. 2013/2014 übernahm der Schwarzwälder Timo Handschuh die Position des Künstlerischen Leiters.
Die große Klangvielfalt eines Streichorchesters
Das Besondere am Südwestdeutschen Kammerorchester Pforzheim ist, dass es ganz bewusst aus seiner Basisbesetzung mit 14 fest angestellten Streichern heraus musiziert. „Trotzdem arbeiten wir für größere Besetzungen zusätzlich mit einem stabilen Pool von Gastmusikern aus dem Bläser- und Schlagwerkbereich zusammen“, erklärt Herrmann, der als Geschäftsführer alle Bereiche im Blick hat und das Orchester immer wieder gerne auf seinen Reisen begleitet – und das nicht nur zu Konzerten, sondern häufig auch zu CD-Produktionen.
Denn das ist sicherlich eine weitere Besonderheit des Ensembles: An die 300 Schallplatten und CDs hat es bereits eingespielt, darunter zahlreiche Ersteinspielungen, von denen viele mit internationalen Preisen ausgezeichnet wurden. Diesen Entdeckerdrang möchte es neben seinen traditionellen Konzerten an sein Publikum weitergeben, etwa in der aktuellen Konzertreihe „Faszination Streicherklang“. Dort präsentiert das Ensemble seinen Zuhörern bewusst die große Klangvielfalt eines Streichorchesters. Dabei wird selbst vor weniger bekannten Komponisten nicht halt gemacht. Kreative und frische Programme mit Werken von Josef Suk, Antoine Mahaut, Johann Nepomuk Hummel oder Mieczysław Weinberg vermitteln den Hörern stets ganz neue Klangeindrücke.
„Crossover“-Projekte begeistern das Publikum
Anfang der 2000er-Jahre gab es erste, zaghafte Schritte in Richtung „Crossover“ – und das Publikum ging mit: Ob Konzerte mit Giora Feidman und Programme mit Musik, die von der Schweizer Flamenco-Tänzerin Nina Corti für das Ensemble vertanzt wurden, Projekte mit der Pop- und Rockband Fools Garden, Spark – Die klassische Band oder dem Jazz-Trompeter Sebastian Studnitzky. „Es fällt immer schwer, einzelne Projekte herauszuheben, da die Unterschiedlichkeit und die Individualität der Programme unser Publikum und auch uns selbst immer wieder überrascht und begeistert“, findet der Geschäftsführer, der auch für dieses Jahr wieder ein weiteres, ungewöhnliches Projekt in Aussicht hat: „Im Rahmen des Schwarzwald-Musikfestivals werden wir erstmals mit einem Beatboxer zusammenarbeiten“.
Und doch gibt es einen Bereich, der dem Ensemble ganz besonders am Herzen liegt: Die Familien-, Kinder- und Schulprojekte. „Bei diesen Aufführungen gibt es immer ganz besonders viel und unmittelbares Feedback“, erklärt Herrmann motiviert. „Und wir legen damit die Grundlage für unser ‚Publikum von morgen‘.“
Das Südwestdeutsche Kammerorchester Pforzheim feiert das 250. Stadtjubiläum: