Die Achava Festspiele Thüringen feiern vom 19. September bis 3. Oktober mit „Neun Jahrhunderte jüdisches Leben in Thüringen“ gleich noch ein Jubiläum. Intendant Martin Kranz erläutert den ehrgeizigen Schwerpunkt des zweiwöchigen Festivals: „Nach eineinhalb Jahren des „social distancing“ ist es heute umso wichtiger, wieder miteinander ins Gespräch zu kommen. Die Achava Festspiele möchten dabei weiterhin die Geschichte und Geschichten der Menschen, der Überlebenden, der Zeitzeugen, derer die erlebt haben, in den Fokus rücken.“ Und zwar solange es noch gehe. Denn in ein paar Jahren läge es an uns, diese Berichte weiterzutragen, gegen Geschichtsvergessenheit und Krieg sowie für den Dialog und Respekt. Musikalischer Höhepunkt ist die Wiederentdeckung des „Requiems für den unbekannten Verfolgten“ des deutsch-jüdischen Komponisten Hans Heller aus Greiz, das am 23.9. im Erfurter Dom aufgeführt wird.
Das Festival Verfemte Musik möchte mit seinem Programm gezielt jüdisches Leben sicht- und erlebbar machen und dem erstarkenden Antisemitismus etwas entgegensetzen. Doch was genau bedeutet eigentlich der Begriff „verfemt“? Er setzte sich in den letzten Jahren anstelle des nationalsozialistischen Begriffs „entartet“ durch. Für die Nationalsozialisten galten sämtliche Kunstwerke, kulturelle Stilrichtungen und Musikwerke, die nicht im Einklang mit ihrem eigenen Schönheitsideal und Kunstverständnis standen, als „entartet“ und wurden verboten, beispielsweise Stücke jüdischer Künstlerinnen und Künstler oder schlicht Andersdenkender. Jene Musikerinnen und Musiker der Moderne, die Opfer der Gewaltherrschaft wurden, möchte das Festival wieder in der Öffentlichkeit bekannt machen. Im Eröffnungskonzert am 11. September interpretieren Bundespreisträger und Bundespreisträgerinnen Jugend musiziert in der Diakonie Schwerin unter anderem Werke von Korngold, Ullmann und Bloch. Im Mittelpunkt des umfassenden Symposiums stehen neue Perspektiven auf jüdisches Leben sowie seine Kultur und Musik vom 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart.
Bei der Jüdischen Woche Dresden wird es hingegen wild. Vom 30. September bis 10. Oktober kommen die „Jekkes“ an die Elbstadt. „Als Jekkes („die mit den Jacken“) wurden im Jiddischen diejenigen Juden bezeichnet, die sich kulturell stark mit der deutschen Kultur identifizierten. Ihre Jacke wurde zum Sinnbild einer stereotypen Überkompensation: Pünktlichkeit, Genauigkeit und Zuverlässigkeit. Was als Schimpfwort begann, wurde zum Stolz der deutschen Juden, die es bald als Selbstbezeichnung übernahmen“, erklärt das Festival, dessen Angebot von Musik, Literatur und Theater über Filme, Angebote für Kinder und Jugendliche bis zu einem Food Festival und einem Tag der offenen Synagoge reicht. Artist in Residence ist der Grammy-Gewinner Frank London – bekannt unter anderem von den „Klezmatics“.
Im grauen November drehen die Jüdischen Kulturtage Berlin vom 6. bis 18.11. so richtig auf und feiern ein rauschendes Fest für alle Sinne. Das Festival bietet einen abwechslungsreichen Einblick in die jüdische Kultur mit Jazz, Soul, Pop, Rock, Weltmusik, synagogaler Musik, Klassik, Comic, Literatur, Vorträgen und öffentlichen Gottesdiensten. Nur allzu oft wird die Geschichte des deutschen Judentums auf die Verfolgung während des Nationalsozialismus reduziert. Doch es darf nicht vergessen werden, dass seit dem 4. Jahrhundert jüdische Gemeinden in der heutigen Bundesrepublik existieren. Heute stehen die etwa 200.000 in Deutschland lebenden Jüdinnen und Juden, von denen etwa die Hälfte in Gemeinden organisiert ist, für das Bewusstsein, die Kultur des europäischen Raums entscheidend mitgestaltet zu haben, ohne die es vieles, was wir heute kennen und schätzen, überhaupt nicht geben würde.