Es gibt verschiedene Ansätze um herauszufinden, wie Komponisten gedacht, nachgedacht, erdacht haben. Autografen sind etwa sehr beliebt. Haben Komponisten geschmiert? Zigmal durchgestrichen und übermalt? Oder haben sie ihre Ideen druckreif zu Papier gebracht? All das kann erhellend sein. Einblicke in die Gedanken- und Gefühlswelt musikalischer Genies bieten aber am besten die klingenden Zeugnisse und Menschen vom Fach, die Gehaltvolles zu sagen verstehen. Bei der fünften Ausgabe der Appenzeller Bachtage möchte man unter dem Motto „Bachs Werkstatt“ diesen Weg gehen. In unterschiedlichsten Konzerten, musikalischen Akademien und philosophischen Gesprächsformaten wird der Frage nachgegangen, wie der arbeitswütige Thomaskantor, Bratscher, Organist, Kapellmeister und Komponist seine Werke geschaffen hat, denen man so gerne (und so berechtigt!) die Attribute „vollendet“ und „ohnegleichen“ anheftet.
Wanderungen mit J. S. Bach
Die musikalischen Beiträge sind, bei allem akademischen Eifer, sinnlich und raffiniert angelegt. Zur Eröffnung führt ein Wandelkonzert an diversen Orten in Teufen in den Bach’schen Kosmos ein. Tags darauf folgt gewissermaßen ein Wandelkonzert durch die Zeit, denn das Atenea Quartet kündigt eine „Epochenreise“ an und präsentiert Bach als Quell der Inspiration für Mozart, Haydn, Schubert und Ligeti. Zwei weitere musikalische Höhepunkte liefern dann Chor und Orchester der J. S. Bach-Stiftung unter der Leitung von Rudolf Lutz, die die Kantate BWV 207 „Vereinigte Zwietracht der wechselnden Saiten“ in zwei verschiedenen Fassungen zu Gehör bringen: im weltlichen Original aus der Feder Bachs sowie – beim Abschlussgottesdienst – in einer kirchlichen Neuvertonung von Bachforscher Anselm Hartinger und Rudolf Lutz.
Bach überall
Chorwerke aus zahlreichen Jahrhunderten präsentiert der Appenzeller Jugendchor, gegründet und geleitet von Anna Kölbener und Lea Stadelmann. Emmanuel Le Divellec begleitet das Konzert an der Orgel. Ein weiteres Wandelkonzert im XXL-Format steht auf dem Festivalprogramm: Auf einer knapp fünfstündigen Wanderung werden – als freie Interpretation des Festivalmottos – diverse Werkstätten des Appenzellerlands besucht. An jeder Station spielt das Saxofonquartett Les Saxoiseaux.
Die Akademien und Gesprächsrunden tragen vielversprechende Titel wie „Bach über die Schulter geschaut“, „Bach und der Choral“, „Parodieren? – Aber richtig!“ oder „Vom Umgang mit kulturellem Erbe heute“. Ach ja: Man darf als Festivalbesucher auch selber musikalisch aktiv werden beim morgendlichen Gemeinschaftssingen, wenn die Kantorei der Appenzeller Bachtage ihre Gesangsreihen für Interessierte öffnet.