Touristen sind hier schon länger wohl bekannt. Mozart selbst gehörte zu den ersten: 1790 gönnte er sich einen kleinen Ausflug in den Schlosspark, während er für kurze Zeit im nahen Mannheim weilte, um seinen Figaro zu dirigieren. Sehr viel früher, 1763, hatte er im kurpfälzischen Schwetzingen bereits (Wunder-) Kinderarbeit verrichtet und für den Kurfürsten Carl Theodor und dessen Anhang in der „Salle de jeu“ des Schlosses gespielt, in der sonst oft Glücksspielabende gegeben wurden.
Tempi passati, mittlerweile heißt besagter Raum Mozartsaal, finden hier Konzerte statt. Im Frühjahr bei den international bekannten SWR-Festspielen und im Herbst beim kleiner konzipierten Mozartfest, das seit 1975 gefeiert wird. Dessen Träger ist ein Eingetragener Verein, die Schwetzinger Mozartgesellschaft.
Alte Instrumente und neue Werke
„Unsere Verwaltungsausgaben liegen bei Null, der größte Posten sind wahrscheinlich noch die Briefmarken“, sagt Nikolaus Friedrich, der das Festivalprogramm verantwortet. Über ein riesiges Budget verfügt der künstlerische Leiter nicht – was bedeutet: Mit extrateuren Star-Solisten kann er eher nicht aufwarten, mit guten (Kammer-)Musikern indessen immer. Und gerne dürfen diese auf alten Instrumenten spielen.
Friedrich, der im Hauptberuf seit vielen Jahren Soloklarinettist im Mannheimer Nationaltheater-Orchester ist, pflegt aber auch ein Faible für das Zeitgenössische. So gelingt es ihm sogar beim Mozartfest mit schöner Regelmäßigkeit, Musik von aktuellen Tonsetzern wie Manfred Trojahn oder Magnus Lindberg einzuschmuggeln – unter all die Wiener Klassik, die oft nur gelegentliche Abstecher in die sie vorbereitende „Mannheimer Schule“ zulässt. Ja, manchmal kommt es gar zu einer Uraufführung.
Wo die vermeintliche Provinz groß herauskommt
Dafür geht das Festival in Sachen Mozart stets auf Nummer sicher. Jedes Jahr wird eine seiner Opern aufgeführt, und immer ist es eine der bekanntesten – das Publikum darf nicht verschreckt werden. Für bloße „Presseaufhänger“ seien die großen Opernhäuser zuständig, befindet der künstlerische Leiter. Dafür sind beim Mozartfest meistens noch fast premierenfrische Gastspiel-Produktionen zu besichtigen: Häufig aus der vermeintlichen „Provinz“ – doch diese Inszenierungen legen immer wieder überraschend große Ehre mit der Mozart-Pflege in der kleinteiligen deutschen Stadttheater-Landschaft ein. In Schwetzingen treffen diese Produktionen dabei auf einen idealen Ort: das Rokokotheater, einziges im Zeitstil der Erbauung unverändert konserviertes „Rangtheater“ in Europa, mit adretten kleinen Logen und Balkonen und sehr eigener, da knochentrockener Akustik. Mit dem ganzen Schlosskomplex in Schwetzingen (samt des berühmten Parks) ist dieses Schmuckkästchen nur knapp am Status eines Weltkulturerbes vorbeigeschrammt.
Das muss dann aber auch an Prunk reichen. Denn jegliches Event-Getue, alles laute und knallbunte Drumherum ist nicht der Stil des Mozartfests. Das Einzige, was hier passieren kann, ist das vereinzelte Erscheinen von Personen, die Perücken und Kostüme aus dem 18. Jahrhundert vorführen und in der Regel von der Schlossverwaltung engagiert sind. Und auch das wäre im Grunde gar nicht nötig.
Ja, Mozart würde sich zweifellos noch immer gut zurechtfinden, denn es hat sich nicht so furchtbar viel verändert hier im Schlosspark. Nur ein paar Touristen mehr sind mittlerweile unterwegs.
Die Festivaldaten im Überblick:
Zeitraum: 23.9.–9.10.2016
Ort: Schwetzingen
Künstler: Leipziger Streichquartett, Maximilian Hornung, Minguet Quartett u. a.