Unter allen Verschwörungstheorien ist diese die plausibelste: Das Coronavirus ist ein Kunstbanause. Schließlich hat es das so gut wie komplette Beethoven-Jubiläumsjahr zum Verstummen gebracht. Ausgerechnet bei Beethoven, dem Liebling der Veranstalter und Konzertgänger, musste der ganz große Konzertreigen entfallen. Ganz groß war natürlich auch das Beethovenfest Bonn geplant, es sollte das letzte Fest der Intendantin Nike Wagner werden. Dem Virus gelang allerdings nicht die Zerschlagung des Programms, sondern lediglich die Verschiebung: Fast das vollständige 2020er-Beethovenfest wird nun vom 20. August bis zum 10. September stattfinden, vor Live-Publikum. Und Nike Wagner, die vor einem Jahr 75. Geburtstag feierte, wird den Intendantenstab dann auch entsprechend zeitversetzt weiterreichen an ihren Nachfolger Steven Walter.
Das Motto des Festivals: „Auferstehn, ja auferstehn“, die Klopstock-Zeile aus Gustav Mahlers zweiter Sinfonie. Für 2020 vorgesehen, passt es für 2021 umso besser. Mit dieser Mahler-Sinfonie wird das Beethovenfest abgeschlossen werden, mit Beethovens Neunter wird es eröffnet, eine ebenso sinnvolle wir wirkungsvolle Klammer.
Beethovenfest Bonn: Fest der Überraschungen
Dazwischen gibt es natürlich viel Beethoven, 35 seiner Werke werden zu hören sein, darunter alle Sinfonien sowohl im Original als auch in Klavierfassungen. Manchmal überraschen die Interpreten – oder haben Sie Beethoven schon einmal vom World Doctors Orchestra gespielt gehört, einem Orchester, das genau das ist, was der Name sagt? Und manchmal überraschen die Spielorte: So öffnet die Beethovenhalle für einen Tag ihren Baustellenzaun für eine „performative Sinneserfahrung“: Auf der Baustelle spielt Pianist Marino Formenti Fragmente und Skizzen verschiedenster Komponisten – der Reiz des unfertigen Materials. Bauhelm und Warnweste sind für alle obligatorisch. Was dazu die Bonner sagen werden, die laut Nike Wagner ein wenig experimentierfreudiges Volk sind? „Vielleicht ist das Publikum in kleineren Städten harmoniesüchtiger als in den großen, wo mehr Spezialfestivals ihre Nischen finden“, sagt sie. „Im Ganzen aber: Keine Sorge, die Klassik hat ihr Publikum, und die Massenekstase war nie ihr Ziel.“