Zu Lebzeiten galt Ludwig van Beethovens Musik oft als zu neu, zu radikal, zu ungestüm. Heute wird sie als wegweisend, mutig, Grenzen sprengend bezeichent. Diesen Geist nimmt sich auch das Beethovenfest Bonn in diesem Jahr zum Vorbild und bringt mit neuem Team, neuem künstlerischem Leiter und neuem Programm frischen Wind in die Heimatstadt des Komponisten: Zeitgenössisch und zukunftsorientiert sind die Attribute des Festivals, die in den Schwerpunkten auf Diversität, Partizipation und Digitalisierung zum Ausdruck kommen und den Nerv des 21. Jahrhunderts treffen.
Unter dem Motto „Alle Menschen“, das an Schillers (respektive Beethovens) berühmte Ode „An die Freude“ angelehnt ist, in der alle Menschen zu Brüdern (und Schwestern) werden, möchten die Veranstalter musikalische Diversität schaffen und einen Ort kreieren, der Menschen unabhängig von Alter, Herkunft oder sozialer Schicht zugänglich ist. Eine große Rolle spielen dabei die Residenzen, erklärt Philipp Seliger, Kommunikationsleiter des Beethovenfests: „Die Residenzkünstlerinnen und Residenzkünstler und Ensembles bleiben mehrere Tage in Bonn, vernetzen sich mit der Stadt und ihren Communities und entwickeln spezifische Programme, die es nur hier zu hören gibt. Das soll Gemeinschaft stiften, aber auch Flugmeilen und Tankfüllungen sparen und das Festival nachhaltiger machen.“
Dunkel- und Geheimkonzerte
Neben dem russischen Pianisten Alexander Melnikov und dem isländischen Tenor Benedikt Kristjánsson treten als Residenzkünstler außerdem das Projektorchester Spira mirabilis, das sich aus Solisten führender europäischer Klangkörper zusammensetzt, das Hamburger Ensemble Resonanz, Alarm Will Sound aus New York sowie das in Berlin gegründete vision string quartet und das französische Streichquartett Quatuor Ébène auf.
„Neben den Residenzen ist die größte Neuerung, dass Musikvermittlung zur festivalübergreifenden Querschnittsaufgabe wird“, sagt Seliger. „Darüber hinaus gibt es Formate, die durch ihren partizipativen Ansatz hervorstechen: Unter dem Label ,Beethovenfest Inside‘ werden diverse Communities eingeladen, ambitionierte Projekte mitzugestalten.“ In diesem Rahmen finden sogenannte „Dunkelkonzerte“ statt, die von Blinden und sehbehinderten Menschen durchgeführt werden, sowie Geheimkonzerte mit dem Orchester im Treppenhaus, die von den Schülermanagern organisiert werden.
Künstlerisch immer einen Schritt voraus
„Trotz aller Neuerungen gibt es weiterhin die klassischen Konzerthighlights mit Größen wie Antonio Pappano, Elīna Garanča, Anna Prohaska oder Isabelle Faust“, fasst Seliger zusammen. Auch Jazz-, Pop- und Kinderkonzerte finden beim Beethovenfest Bonn ihren Platz. Wie behält man da als Zuschauer den Überblick? „Man kann jetzt schon auf unserer Website nach Genres filtern. In Zukunft soll es aber auch einen Konzert-O-Maten geben, bei dem man wie beim Wahl-O-Mat Fragen beantworten kann und dann Projekte und Konzerte vorgeschlagen bekommt, die zu einem passen.“ Ein mobiles Audio- und Produktionsstudio, eingebaut in ein Lastenfahrrad, das von überall streamen kann, und eine Podcast-Serie mit Intendant Steven Walter als Host ebnen außerdem den Weg zu digitalen Angeboten des Festivals. Beethoven, der seinen Zeitgenossen künstlerisch immer voraus war, hätte das bestimmt gefallen.