Von der medialen Omnipräsenz der Kicker hierzulande sollte man sich nicht täuschen lassen: Tatsächlich sind in Deutschland viel mehr Menschen in Chören organisiert als in Fußballmannschaften. Allein in Berlin gibt es neben den berühmten Profichören mehr als 150 Laienformationen. Gemeinschaftsgefühl, direkte Kommunikation, Glücksmomente und den Zauber des vibrierenden Zusammenklangs, das alles bietet Chorgesang. Kein Wunder also, dass das seit 2011 jährlich stattfindende Festival Chor@Berlin ein voller Erfolg ist. Zu seinem Vokalfest im Radialsystem V am Spreeufer in Friedrichshain lädt der Deutsche Chorverband dieses Jahr wieder hochkarätige Formationen ein.
Von Aprikosenbäumen bis zur Wasserstoffbombe
So treffen beim Eröffnungskonzert am Donnerstag das Chorwerk Ruhr mit frühbarocken Madrigalen von Monteverdi, Gesualdo und Marenzio auf den Jazz des Marc Schmolling Ensembles. Am Freitag steht mit alfabet eine Uraufführung für Kammerchor und Schlagzeug von Frank Schwemmer auf dem Programm. Der Berliner Komponist und Sänger, der eine Vielzahl von Chorwerken und Stücken für Vokalensemble sowie Opern komponiert hat, darunter 2001 die vielbeachtete Merkel-Oper Angela, hat für alfabet das gleichnamige, ausgeklügelt wuchernde Gedicht der dänischen Lyrikerin Inger Christensen herangezogen. Darin gibt es Reflektionen, die von Aprikosenbäumen bis zur Wasserstoffbombe reichen. Vocalconsort Berlin und die Schlagzeugerin Maria Schneider bringen das Stück zur Uraufführung.
Sich aus der eigenen Komfortzone herauswagen
Groovy wird es in der A-cappella-Nacht am Samstag mit grenzüberschreitenden Vokalklängen: Die garantiert etwa die furiose Vokalisten-Band Slixs mit ihrer temperamentvollen Mischung aus Klassik, Soul, Funk und World Music. Die Berliner JazzVocals zeigen die Vielfalt vokaler Jazzkunststücke. Stimmungsvoll eingeleitet wird die klingende Nacht von Voktett Hannover, das geistliche und irdische Liebesgesänge u. a. von Sibelius, Britten und Mendelssohn präsentiert. Eine schöne Tradition des Festivals und schon Kult ist die Teilnahme am Ich-kann-nicht-singen-Chor, diesmal am Sonntag um 11 Uhr: Angeleitet vom Berliner Begegnungschor mit Band werden gemeinsam Lieder auf Deutsch, Englisch, Arabisch, Kurdisch, Farsi und Russisch gesungen. Ein unvergessliches Erlebnis, für viele begeisterte Teilnehmer zudem die Chance, sich aus der eigenen Komfortzone zu wagen und endlich die Wonnen des gemeinschaftlichen Gesangs zu spüren. Workshops und Diskussionen runden das Festival ab.
concerti-Tipp:
Chor@Berlin
21.-24.2.2019
Mit: Chorwerk Ruhr, Vocalconsort Berlin, Ich-kann-nicht-singen-Chor u. a.