Das diesjährige Motto des Festivals classic con brio – „Freiheit und Frieden“ – hat freilich eine bezwingende Zeitlosigeit: Solange es Menschen gibt, wird es Krieg geben, solange es Krieg gibt, werden Menschen für ihre Freiheit kämpfen. Doch je zeit- und anlassloser so ein Motto bemüht wird, desto beliebiger und worthülsiger wird das Unterfangen. Derzeit wehrt sich gerade einmal zwei Länder weiter östlich von uns eine Nation gegen einen Angriffskrieg, dessen Ende ebenso wenig absehbar ist wie die Stufe der Eskalation, die dem Ende zwangsläufig vorausgehen wird. Doch ein Motto erhebt auch Ansprüche, die zu erfüllen sind. Zum Beispiel dadurch, dass sowohl ukrainische als auch georgische sowie russische Musikerinnen und Musiker eingeladen sind und sich im Osnabrücker Land begegnen – etwa der Komponist und Pianist Borys Fedorov, der kurz vor Ausbruch des Krieges mit seiner Frau nach Amsterdam zu seiner Tochter, der Pianistin Anna Fedorova geflohen ist. Vater und Tochter sind beide bei classic con brio zu erleben – ersterer als Composer in Residence, letztere am Klavier.
Auch im Repertoire sind der Friedens- und vor allem der Freiheitsgedanke verankert: Beethoven suchte (und fand zu einem recht hohen Preis) seine künstlerische Unabhängigkeit, während die drei Komponisten Johannes Brahms, Robert Schumann und Albert Dietrich mit der Tonfolge f-a-e („frei, aber einsam“) dem Freiheitsgedanken eine melodiöse Gewandung gaben. Für Dmitri Schostakowitsch wiederum speiste sich der Begriff der Freiheit aus der Gegenwehr gegen Unfreiheit und Unterdrückung, die er während der Sowjetzeit erfuhr. Richard Strauss hingegen findet man bei classic con brio mit seinen „Metamorphosen“, einem Werk, in dem er seine Betroffenheit über das zerbombte Deutschland am Ende des Zweiten Weltkriegs verarbeitete („Mein schönes Dresden-Weimar-München – alles dahin“, notierte er in einen Brief).
Gefeiert wiederum wird der Komponist und Organist César Franck, dessen Geburtstag sich 2022 zum 200. Mal jährt. Auch wird es einen Tango-Abend geben, der südamerikanisches Feuer ins herbstliche Niedersachsen bringt. Denn bei aller berechtigter Betroffenheit und Schwermut: Das Lachen und das Leben darf man nicht vergessen.