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Festivalguide Festspiele Zürich 2014

Das Feuer des Prometheus

Die Festspiele Zürich widmen sich in diesem Jahr dem mythischen Revolutionär

vonMatthias Nöther,

Prometheus – das ist in der antiken Mythologie jener aufsässige Mann, der den Göttern das Feuer raubte und es den Menschen brachte. Gerade im fortschrittsgläubigen 20. Jahrhundert wurde die Figur als Prototyp des modernen Kulturstifters begriffen. „Der mythische Titan Prometheus kann durchaus als Säulenheiliger der Moderne gelten“, sagt Rüdiger Safranski. Der Philosoph hält den Eröffnungsvortrag bei den Festspielen Zürich 2014, die unter dem Motto Prometheus – Entfesselung der Kräfte stehen. Prometheus, so Safranski, stehe auch für die Probleme, die wir mit solchem Fortschritt haben. Zur Strafe für die technische Ausstattung der Menschheit sei er bekanntlich von den Göttern an den Felsen geschmiedet worden. „Prometheus verlor also seine Freiheit. Was uns auch passieren kann, wenn wir nicht die Technik, sondern die Technik uns beherrscht.“

 

Vielfalt der Künste: Musik, Theater, bildende Kunst

Neben der Tonhalle Zürich, dem Opern- und dem Schauspielhaus sind es viele kleine Kulturinstitutionen der Stadt, die das Festival mit seinem anspruchsvollen Motto mitgestalten. Die Universität Zürich hat eine Veranstaltungsreihe mit dem Titel „Archipel Prometheus“ konzipiert, die mit vier musikalisch ergänzten Themeninseln unterschiedliche Aspekte des Prometheus-Stoffes im Wechsel der historischen Epochen beleuchtet.

Eine Kabinettausstellung im Kunsthaus reflektiert den Wandel der künstlerischen Beschäftigung mit der Figur des Prometheus, indem sie Gemälde und Zeichnungen von Johann Heinrich Füssli mit einem eindrucksvollen Werk der Gegenwartskunst von Javier Téllez konfrontiert. Diverse Theateraufführungen beleuchten das Festspielmotto ganz aus heutiger künstlerischer Sicht. Im Schiffbau zeigt das Multiplayer-Video-Stück „Situation Rooms“ der Gruppe Rimini Protokoll die Schattenseiten des „prometheischen Feuers“. Das Publikum begegnet Personen, deren Biografien von Waffen mitgeschrieben wurden, und erlebt die globalisierte Welt der Herrschenden und Flüchtenden hautnah mit.

Inspiration Prometheus: Beethoven – Skrjabin – Nono

Eine entscheidende Rolle spielen in Zürich die drei großen Komponisten, die sich intensiv mit dem Prometheus-Thema auseinandergesetzt haben: Ludwig van Beethoven, Alexander Skrjabin und Luigi Nono. Der Höhe- und Angelpunkt der diesjährigen Festspiele wird in der Tonhalle am 2. Juli die Aufführung von Luigi Nonos großem Orchesterwerk Prometeo – Tragedia dell‘ ascolto sein, unter Leitung des Dirigenten Ingo Metzmacher.

Diese „Hör-Tragödie“ aus dem Jahr 1985 ist sicherlich ein Schlüsselwerk der Avantgarde der jüngeren Musikgeschichte. Elmar Weingarten, Intendant der Tonhalle-Gesellschaft, unterstreicht sein besonderes Verhältnis zu Prometeo und zu dessen Schöpfer: „Die Begegnung mit Luigi Nono hat mich geprägt in meiner Haltung, dass man versuchen muss, den Menschen das wirklich Essentielle von Musik zu vermitteln.“ Nonos Prometeo-Komposition ist ein musikalisch kompromissloser Versuch, die großen Themen der Menschheit zum Klingen und zur Sprache zu bringen. Eine besondere Rolle spielt bei der Umsetzung der jeweilige Raum mit seinen akustischen Besonderheiten – er wird als eine „eigene Stimme“ in die Musik einbezogen.

Luigi Nono und seinem Werk widmen sich weitere Veranstaltungen, etwa ein Konzert mit dem Streichquartett Fragmente – Stille, An Diotima, gespielt vom Quatuor Diotima. Eine Matinee der Reihe „Wahlverwandtschaften – Literatur und Musik“ geht Nonos literarischen und musikalischen Inspirationsquellen für seinen Prometeo nach, unter Mitwirkung von Nonos Freund, dem Komponisten Helmut Lachenmann.

Das Tonhalle-Orchester unter seinem scheidenden Leiter David Zinman widmet sich neben dem Abschluss eines hauseigenen Beethoven-Zyklus Gustav Mahlers Auferstehungssinfonie und lässt in Ergänzung zu Nonos Prometeo eine positive musikalische Utopie erstrahlen. Der dritte große Prometheus-Komponist, Alexander Skrjabin, ist das Thema in einem Vortrag des Komponisten und Pianisten Stefan Wirth mit Musikbeispielen. Seinen berühmten Prometheus-Akkord baute Skrjabin in verschiedene Werke ein. Skrjabin, der sich selbst in seiner Funktion als Künstler als messianischer Heilsbringer der Menschheit sah, hat sich wohl von allen Komponisten der Moderne am stärksten mit der Figur des Prometheus identifiziert.

Die Festivaldaten im Überblick:

Zeitraum:  13.6. bis 13.7.2014 Ort: Zürich 

Künstler: Maria João Pires, Matthias Goerne, Fabio Luisi, Christian Zacharias, Barbara Hannigan, Lise de la Salle, David Zinman u.a.

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