Wie passen Glaube und Elektronik zusammen? Und: Kann ein Pastor als DJ in der Kirche auflegen? Das ist keine skurrile, eher eine moderne Frage. In Zeiten, in denen man zahlreiche Fan-Seiten für den Papst bei Facebook findet, ist die Omnipräsenz der modernen Medien auch in der Kirche nicht wegzudiskutieren – wenngleich Benedikt seine „Followers“ ermahnte, auch im Internet ehrlich, verantwortungsvoll und unaufdringlich aufzutreten.
Das Internet und moderne Elektronik verbinden Gläubige auf der ganzen Welt mit-einander. Doch wie gehen die Menschen im Alltag mit der immer stärker technisierten Welt um, und wie möchten sie darin leben? Vom 15. bis 20. November wollen sich die Musiker der Gemeinde St. Johannis Harvestehude mit diesem Spannungsfeld befassen und machen sich mit dem Klangfestival „Elektria“ auf die Suche nach der Verbindung von Spiritualität und modernster Technik.
„Wir wollen gegenseitige Berührungsängste zwischen Kirche und elektronischer Kunst nehmen und glauben, mit diesem Klangfestival einen guten Rahmen gefunden zu haben“, sagt Organisator Christopher Bender, engagierter und experimentierfreudiger Kirchenmusiker der Gemeinde St. Johannis. So spannen alle „Elektria“-Veranstaltungen einen Bogen zwischen Glauben und Technik. Das klinge recht intellektuell, meint Bender, man wolle sich dem Thema aber sinnlich und unmittelbar nähern. Das ginge besonders gut, weil die Initiatoren selbst in beiden Welten verwurzelt seien: „Früher tanzte ich auf Raves“, sagt Bender, „heute komponiere ich eigene elektronische Musik.“ Gemeinsam mit Constantin Gröhn hatte er die Idee zu diesem ungewöhnlichen Festival. Gröhn ist der neue Pastor von St. Johannis, er ist Theologe – und DJ. Viele Jahre legte er Platten auf und produzierte experimentelle CDs mit Feldaufnahmen. In dem gemeinsamen Konzert „Drei Ebenen der Verheißung“ mit Bender an der Orgel und Gröhn am DJ-Set machen die beiden kaum oder nicht Hörbares hörbar, zum Beispiel die Ultraschall-Laute der Fledermäuse, Wasserkäfer und schlafende Elefanten. Dem Geräuschhaften und Ungreifbaren stellen sie vertraute Orgel-Klänge gegenüber. „Eine feinsinnigere Elektrosalbung ist kaum möglich“, heißt es an einer Stelle in der Programmankündigung – treffender kann man den Grenzgang zwischen Elektro und Glaube nicht beschreiben.
Das Klangfestival „Elektria“ der Kirchengemeinde St. Johannis, in Kooperation mit der Hochschule für Musik und Theater, wagt auch in jedem der anderen vier Programme diesen Spagat zwischen Elektronik und Kirche: Unter dem Titel „Ewiges Leben im Web?“ beschäftigt sich Swantje Luthe mit virtuellen Friedhöfen; eine Klanginstallation begleitet drei Transparentbilder von Caspar David Friedrich, die der Maler als „Allegorie der weltlichen, religiösen und himmlischen Musik betrachtete“. Und auch der Bogen zurück zur klassischen Musik soll geschlagen werden: Am 19. November erklingt Mozarts Requiem, gesungen vom Chor St. Johannis, begleitet von der Kammerphilharmonie Mannheim. Die Elektronik kommt dann in einer Komposition von Christopher Bender hinzu: von Ewigkeit… zu Ewigkeit heißt das Werk, in dem er Fragmente der Mozartschen Trauermesse aufgreift und sie in einen „breiten Strom aus sich verdichtenden und sich verlierenden Klängen“ stellt.