Es gibt eine riesige Errungenschaft: Wir machen es zusammen – die notorisch zerstrittene Hamburger Musikszene hat sich auf ein Projekt geeinigt, und das war alles andere als einfach und hat lange gedauert.“ Ja, es klingt schon ein wenig Stolz mit in den Worten Christoph Lieben-Seutters, wenn der Generalintendant der Elbphilharmonie und Laeiszhalle von der Entstehung des 1. Internationalen Musikfestes Hamburg erzählt. In der Tat sind nämlich die diversen Konzertveranstalter in der Hansestadt alles andere als beste Freunde, und da kann es den Wiener zu Recht freuen, nun alle für fünf Wochen unter einem gemeinsamen Markendach zu versammeln.
Mag letzteres auch mit dem Motto „Verführung“ etwas sehr allgemein ausgefallen sein und Kultursenatorin Barbara Kisseler das Programm angesichts einer farbenfrohen Mischung von Oper und Pop, Orchester- und Jazzkonzerten, Kammer- und Weltmusik gar „beliebig“ genannt haben, Lieben-Seutter sieht die Premiere als einen „ersten Aufschlag“, dessen wichtigste Botschaft an die Hamburger laute: „Schaut’s mal, was ihr schon für eine Musikstadt seid und was es hier alles gibt.“ Und solche Diskussionen um die Inhalte kenne er nur zu gut von den Wiener Festwochen: Da habe die Presse auch jedes Jahr in schöner Regelmäßigkeit die Dramaturgie ob fehlender eigener Produktionen niedergemacht – „und ich habe als Schüler die tollsten Produktionen aus dem ganzen europäischen Sprachraum kennengelernt“.
Von Schaufensterkonzerten und Musiküberfällen
So mögen zwar viele der Musikfest-Veranstaltungen ohnehin in den Spielzeitplänen der Hamburger Orchester und Veranstalter stehen, doch ihm gehe es darum, Menschen zur Klassik „zu verführen“, die nicht ohnehin schon ständig in Konzerte gingen: „Denen ist es ganz egal, ob das Konzert der Philharmoniker bereits in deren Abo enthalten ist, denn sie haben das Abo gar nicht auf dem Schirm“, meint er. „Was sie aber sehen: Es ist ein Internationales Musikfest in Hamburg, da kommt ein schönes Musikfestkonzert und da gehe ich mal hin.“ Wenn sie nicht ohnehin durch eines der zahlreichen Begleitprojekte aufhorchen würden: Seien es nun der Marching Band-„Starwalk“ zum Jungfernstieg, Schaufensterkonzerte oder auch „Musiküberfälle“, bei denen Schüler und Studenten plötzlich in Praxen oder Häusern aufspielen.
Mahlers Hamburgensie
Zudem fänden sich unter den mehr als 50 Konzerten sehr wohl diverse Projekte, die allein für das Musikfest programmiert worden seien: Angefangen vom Eröffnungskonzert, bei dem Thomas Hengelbrock und die NDR-Sinfoniker die fünfsätzige Hamburger Fassung von Mahlers Erster präsentieren, über die konzertante Version von Humperdincks Königskinder-Oper durch die Symphoniker bis hin zum Faust-Finale, das als Koproduktion mit dem Festspielhaus Baden-Baden entsteht. Dass die Gounod-Oper im Vorfeld vor allem durch die Absage von Starsopranistin Anna Netrebko für Schlagzeilen sorgte und nun auch Einspringerin Angela Gheorghiu abgewunken hat, fällt in die Rubrik Künstlerpech und kann den in puncto schlechter Nachrichten durch die unendliche Baugeschichte der Elbphilharmonie gestählten Intendanten nicht erschüttern.
Große Pläne für die Zukunft
Sein Blick richtet sich ohnehin nach vorn: Schon beim nächsten Musikfest 2016 sollen im Gesamtprogramm verstärkt Themenschwerpunkte wie in diesem Jahr die Schubertiade gesetzt und kleine (Wochenend-)Inseln gebildet oder auch andere Sparten wie das Theater eingebunden werden. Gestrafft werden soll zudem der Musikfest-Zeitraum, um dann mit der erhofften Eröffnung der Elbphilharmonie 2017 bereits in einen jährlichen Festival-Zyklus zu wechseln. Denn mit dem neuen Konzerthaus eröffneten sich auch ganz neue Möglichkeiten für die Sponsoren-Akquise – ob der maroden Haushaltslage der Stadt steht Lieben-Seutter für die Premiere nämlich noch nicht einmal eine Million Euro zur Verfügung.
Die Festivaldaten im Überblick:
Zeitraum: 9.5. – 15.6.2014
Ort: Hamburg
Künstler: Andris Nelsons, Artemis Quartett, Alan Gilbert, Cameron Carpenter, Anja Harteros, Matthias Goerne u.a.
Alle Termine und weiterführende Infos hier.
Was es im Bereich Festival außerhalb von Hamburg zu entdecken gibt, stellen wir Ihnen in unserem Festivalguide vor.