Das Kunstwort „Fratopia“ verschmilzt den Städtenamen Frankfurt mit der Utopie. Verortet ist das gleichnamige Festival in der Alten Oper – die nicht die Oper, sondern das Konzerthaus der Stadt ist, ein Unterschied, den selbst nicht alle Frankfurter auf dem Schirm haben. Auch dagegen soll „Fratopia“ antreten: „Wenn wir von Utopien für den Kulturbetrieb sprechen, sind Offenheit und Zugänglichkeit ganz wichtige Parameter“, sagt die Frankfurter Kulturdezernentin Ina Hartwig, die sich damit vor allem auf jenen „Open space“ bezieht, der während des Festivals die klassische Konzertbestuhlung ersetzen soll. „Räume öffnen, Perspektiven erweitern, Querbezüge sichtbar machen: Auf diese Weise werden neue Kanäle der Rezeption von Musik geschaffen, werden Menschen angesprochen, die vielleicht ansonsten nicht zum Klassikstammpublikum zählen“, so Hartwig.
In diesem neuen Raumgefühl wird etwa das katalanische Kollektiv La Fura dels Baus auftreten mit einem Projekt namens „Free Bach 212“, in dem Johann Sebastian Bachs „Bauernkantate“ mit Elementen des Theaters, der Video- und Elektronikkunst sowie des Flamenco in Szene gesetzt werden soll. Auch das frei improvisierende Stegreif.Orchester, die Organistin Iveta Apkalna und der RIAS-Kammerchor werden im „Open space“ aktiv sein, ebenso die Pianisten Igor Levit und Markus Hinterhäuser, die sich gemeinsam Olivier Messiaens Zyklus „Visions de l’Amen“ widmen werden. Ein „Ideenmarathon“ mit einem hochkarätig besetzen Podium soll zudem herausfinden, was ein urbanes Konzerthaus im 21. Jahrhundert leisten muss. Wie wird die Forderung nach Teilhabe und Transparenz eingelöst, wie greifen Kulturleben und Stadtgesellschaft ineinander, wie gelingt es, die Menschen der Stadt wirklich mit dem eigenen Angebot zu erreichen?
Vielstimmiges Lebenstagebuch quer durch die Genres
„Frankfurt“ und „Utopie“: Künstlerisch konsequent zusammengedacht wird das seit Jahrzehnten von Komponist Heiner Goebbels. Darum bringt anlässlich dessen 70. Geburtstag das Ensemble Modern Orchestra Goebbels’ jüngstes Orchesterwerk zur Frankfurter Erstaufführung. „A House of Call“ ist ein vielstimmiges Lebenstagebuch quer durch die Genres. Es werde ein „Liederabend mit Rufen, Aufrufen, Anrufungen, Beschwörungen, Gebeten, Sprechakten, Gedichten und Liedern für großes Orchester“, so Goebbels über sein wahrlich „fratopisches“ Werk.