Gerade erst hat das Konzerthausorchester wieder seine Tore am Berliner Gendarmenmarkt geöffnet, auch das Jugendorchesterfestival „Young Euro Classic“ steht kurz bevor. Und doch öffnet das Konzerthaus solidarisch seine Bühnen auch für die freie Kulturszene, die während der gesamten Corona-Pandemie besonders unter Auflagen und vorübergehenden Schließungen litt und immer noch leidet. Schon im vergangenen Herbst entschied es daher, im Frühjahr von einer Jury ausgewählte Ensembles bei sich mietfrei auftreten zu lassen. Doch auch da wurde daraus nichts, die Türen mussten pandemiebedingt noch immer verschlossen bleiben. Also wurden die Konzerte im Rahmen der Initiative „Freie Räume für Freie Szene“ auf den Frühsommer verschoben und darf nun sein Publikum erwarten.
Dessen Zusammensetzung dürfte dabei höchst unterschiedlich sein, denn die insgesamt elf Projekte stammen aus den verschiedensten musikalischen Genres – zwischen Barock, Jazz und Weltmusik ist alles dabei. Aus über 500 Bewerbern hat die Jury elf Projekte ausgewählt. Und die Chance der Selbstpräsentation ist durchaus lukrativ, denn die Ensembles sparen nicht nur die sonst ziemlich horrende Saalmiete, sondern werden auch von Organisations- und Marketingteams betreut und dürfen sämtliche Konzerteinnahmen behalten.
Ungewohnte künstlerische Perspektiven
Berlins Kultursenator Klaus Lederer, Schirmherr der Initiative, freut sich selbstredend über das Engagement des Hauses, das von der Deutschen Orchester-Stiftung mit Kurzzeit-Stipendien untersetzt ist, und hofft auf Nachahmer, kann doch der klamme Senat der freischaffenden Szene selbst nur wenig Unterstützung bieten und ist schon mit der Finanzierung seiner eigenen und fest etablierten Häuser überfordert. Umso mehr ist die Einladung des Konzerthausintendanten Sebastian Nordmann zu honorieren, der ja selbst darauf achten muss, sein Haus wirtschaftlich auszulasten. Vielleicht erfüllt sich sogar der fromme Wunsch des Senators, dass es andere Häuser dem Pionier am Gendarmenmarkt gleichtun mögen, denn gut tun können freie Projekte den Stammhäusern auf jeden Fall, weil sie ungewohnte künstlerische Perspektiven einbringen.
Bach, Beethoven und Beatbox
Was könnte zum Beispiel spannender sein als die Kombination von Barockcello, Beatboxer und Tänzer, die zusammen Bachs berühmte Suiten neu interpretieren? Oder dessen Goldberg-Variationen in den Kontext moderner Kompositionen zu stellen, wie es das „Ensemble Reflections“ plant? Während das Berliner Babylon Orchestra mit seinem Mix aus Bigband und zeitgenössischem Orchester Beethovens Neunte mit Klängen aus Nahem und Fernem Osten verschmilzt, setzt das Capital Dance Orchestra der „coolen Sau“ Berlin der zwanziger Jahre ein Denkmal. Dagegen erzählt etwa das Projekt „Helm auf“ für junge Konzertgänger ab acht Jahren in einer Kurzgeschichte die Gedanken eines Kindes nach.
Kurz: Die vielfältigen musikalischen Ausdrucksformen und Neubefragungen machen den Reiz des Festivals aus – und einen guten Zweck erfüllt es auch. Jetzt müssen wir alle nur noch eins: hingehen!
concerti-Tipp:
Freie Räume für Freie Szene
25. Juni bis 4. Juli 2021
Elf Projekte aus der freien Musikszene
Konzerthaus Berlin
Hier gibt es weitere Infos.