„Heidelberg wiederzusehen, muss ganz wunderbar sein – nur daran zu denken, bringt mich in einen ganz eigenen Zustand“, schwärmte schon Heinrich Heine. Heute strömen jährlich fast 12 Millionen Menschen in die Neckarstadt, die noch immer mit ihrem ganz speziellen Charme zwischen Romantik und moderner Wissenschaft aufwartet. Ideale Voraussetzungen also, um ein neues Festival zu gründen, fand Thorsten Schmidt – und legte 1997 mit dem Eröffnungskonzert des ersten Heidelberger Frühling den Grundstein dafür. Mit seinen jährlich über 46.000 Besuchern kann das Festival heute getrost als die erfolgreichste deutsche Festivalneugründung der letzten 25 Jahre bezeichnet werden.
Und ständig kommen neue Ideen und Formate hinzu: Bereits im Januar startete das Jahr mit einem Streichquartettfest, auf der Music Conference treffen Intendanten, Soziologen, Marktforscher und Kulturwissenschaftler aufeinander, in den drei Festival-Akademien – Lied, Kammermusik und Musikjournalismus – wird miteinander musiziert, gehört und debattiert, und beim Kammermusikfest „Standpunkte“ stehen dieses Jahr die USA und deren Einfluss auf die Musik während der letzten zweihundert Jahre im thematischen Fokus. Und immer wieder das Lied – wohl nicht ganz zufällig haben Clemens Brentano und Achim von Arnim die Sammlung „Des Knaben Wunderhorn“ ausgerechnet in der Universitätsstadt veröffentlicht. Einzigartig in der deutschen Musiklandschaft ist auch das Binnenfestival „Neuland.Lied“, das in diesem Jahr Schumanns große Zyklen seines Liederjahres 1840 in den Mittelpunkt rückt.
Heidelberger Frühling will zum Nachdenken anregen
Als Artist in Residence steht Jean-Guihen Queyras im Mittelpunkt beim Heidelberger Frühling 2018. Der Frankokanadier ist bekannt für seine ungewöhnlichen Programmzusammenstellungen, angefangen bei Uraufführungen über Konzeptabende bis hin zu Weltmusik. Hauptsache nicht durchschnittlich. Im Leben des Cellisten mit dem verschmitzten Lächeln spielte vor allem Pierre Boulez eine Schlüsselrolle. Von ihm lernte er, als Interpret keine Gefühle aus einem Werk herauszufiltern. Vielmehr überlässt er nun seinen Hörern, je nach Gemütslage, ihre ganz eigenen Emotionen zu finden. Doch diese können unter Umständen ganz schön unterschiedlich ausfallen. „Das hat mit unseren familiären und regionalen Prägungen zu tun, denen wir nicht entkommen können und die uns unterscheiden von Mitmenschen mit anderen Prägungen”, betont Intendant Thorsten Schmidt. „Es gibt immer jemanden, der einen sonderbar findet.“
Deswegen lautet der Leitgedanke dieses Jahr auch „Eigen-Arten“ und befasst sich als zweiter Teil der Trilogie zum Thema Aufklärung mit dem Blick auf uns selbst: „Einerseits ist es die Aufklärung, die uns ausmacht, zugleich gibt es das Privatere, weniger dem Verstand als dem Gefühl zugehörige Eigene“, so Thorsten Schmidt. Dass es dabei zu Spannungen kommen kann, ist durchaus gewollt. Denn wenn es eines gibt, was der Intendant mit seinem Festival unbedingt erreichen möchte, dann ist es vor allem eines: zum Nachdenken anregen.
Dieses Jahr ist Jean-Guihen Queyras Artist in Residence beim Heidelberger Frühling:
Die Festivaldaten im Überblick:
Internationales Musikfestival Heidelberger Frühling
Zeitraum: 17.3. – 21.4.18
Mitwirkende: Jean-Guihen Queyras, Gabriela Montero, Sebastian Moser, Igor Levit, Isabelle Faust, Cappella Andrea Barca u. a.
Ort: Heidelberg