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Herbstgold Festival in Eisenstadt 2023

Ein Boutique-Festival

In Eisenstadt, Österreichs kleinster Bundeshauptstadt, findet jährlich das Festival-Kleinod Herbstgold statt.

vonEcki Ramón Weber,

Was für eine geballte Prominenz! Und was für eine Vielfalt! Beim Festival Herbstgold im österreichischen Eisenstadt treffen in historischem Ambiente innerhalb von gut vierzehn Tagen Musiktheater, Weltmusik, Sinfonisches, Kammermusik, Jazz, Literatur, Schauspiel, Musikkabarett und bildende Kunst aufeinander. 2022 war ein Liederabend mit Opernstar Juan Diego Flórez zu erleben. Hollywood-Legende John Malkovich bot sein Programm „The Music Critic“ dar, mit den giftigsten Rezensionen der Musikgeschichte plus deren klingenden Bezugswerken. Schauspieler Cornelius Obonya inszenierte mit Regisseurin Carolin Pienkos Mozarts „Bastien und Bastienne“. Neben berühmten Solo­künstlern wie Festivalleiter und Stargeiger Julian Rachlin, Bratschistin Sarah McElravy und Cellist Boris Andrianov traten die Virtuosen-Komödianten Igudesman & Joo auf.

Dirigentin Oksana Lyniv kam mit dem Jugendsinfonieorchester der Ukraine, auch die Filarmonia della Scala sowie das Quatuor Ébène gaben sich die Ehre, das junge Leonkoro Quartett stellte sich vor. Zudem stand an zwei Abenden mitreißende Roma-Musik auf dem Programm mit dem grandiosen Janoska Ensemble. Zum Rahmenprogramm gehörten Messen von Schubert und Haydn in Kirchen von Eisenstadt, Podiumsdiskussionen und ein Filmabend. „Es soll für jede und für jeden etwas dabei sein, es soll ein buntes Festival sein“, erklärt Festivalleiter Julian Rachlin. „Natürlich ist die klassische Musik der Kern des Festivals, trotzdem erlaubt es uns Ausflüge in verschiedene Welten.“

Sozial engagiert, musikalisch brillant: Festivalleiter Julian Rachlin
Sozial engagiert, musikalisch brillant: Festivalleiter Julian Rachlin

Größtmögliche Abwechslung

Ein Coup ist dem Festival mit der Anbindung des Chamber Orchestra of Europe als Residenzorchester gelungen. Da kam natürlich auch Pianist Sir András Schiff, der eine langjährige innige Verbindung zum Orchester hat, gerne mit nach Eisenstadt. „Die Residenz geht seit 2022 mindestens drei Jahre lang, wobei die Betonung auf ,mindestens‘ liegt. Für mich ist es eine große Freude. Ich bin mit diesem Orchester aufgewachsen“, schwärmt Julian Rachlin. Der international bestens vernetzte Violinist, Bratscher, Dirigent und Hochschulprofessor ist seit 2021 künstlerischer Leiter von Herbstgold. Seitdem strahlt das Festival noch mehr in alle Welt hinaus. Nicht nur aus Europa, sondern auch aus Lateinamerika, den USA und aus Asien kommt mittlerweile das Festivalpublikum. Im Gegensatz zum Vorgängerfestival, den von 1989 bis 2017 veranstalteten Haydn-Tagen, setzt Herbstgold voller Emphase auf größtmögliche Abwechslung.

Ziel der Festivalneuauflage seit 2017 ist es, stärker ein junges Publikum anzusprechen. Ein Blick in die Zuschauerreihen bei Herbstgold zeigt, dass dies offenbar gelungen ist. Ebenso ist die Balance bislang geglückt, die Perspektive zu öffnen und trotzdem Joseph Haydn nicht aus dem Blick zu verlieren. Denn der Klassiker, der in ­Eisenstadt seine glanzvolle Karriere startete, ist natürlich im Programm gesetzt. Haydn ist in Eisenstadt allgegenwärtig. Hier trat der Komponist 1761 in die Dienste des einflussreichen und begüterten Fürstengeschlechts der Esterházy. Nicht zuletzt trägt der Prunksaal von Schloss Esterházy, wo auch die Sinfoniekonzerte des Festivals stattfinden, den Namen Haydns.

Festivalleiter Julian Rachlin betont darüber hinaus zur kammermusikalischen Ausrichtung des Festivals: „Bei Herbstgold wird auch das Streichquartett gepflegt, weil es hier in Eisenstadt – überspitzt formuliert – erfunden wurde. Wir haben enge Kooperationen mit dem Streichquartettwettbewerb der Wigmore Hall in London und mit der Banff International String Quartet Competition im kanadischen Alberto. Die Preisträgerinnen und Preisträger von dort sind bei uns zu hören.“

Residenzensemble für – mindestens – drei Jahre: Chamber Orchestra of Europe
Chamber Orchestra of Europe / COE © Julia Wesely

Keine langen Wege

Neben der besonderen Mischung im Programm und den berühmten Namen trägt auch der Reiz des geschichtsträchtigen Ortes, wo Haydn sich ein Wohnhaus in der Nachbarschaft zum fürstlichen Schloss kaufte, zum Charme des Festivals bei. Eisenstadt im Burgenland – laut Eigenwerbung die „kleinste Großstadt der Welt“ – ist mit rund 15.000 Einwohnern die Hauptstadt im kleinsten Bundesland Österreichs. Dementsprechend kurz sind die Wege, was alles sehr familiär und unkompliziert gestaltet. Deshalb sagt Festivalleiter Julian Rachlin auch: „Herbstgold ist als Festival ein Schmuck­kästchen. Es ist ein Boutique-Festival, klein, aber fein. Wie ein Boutique-Hotel ist es sehr persönlich und individuell gestaltet, mit Liebe zu den Details.“

Er lädt zu Herbstgold gerne befreundete Kolleginnen und Kollegen ein. Dieses entspannte, vertrauensvolle Musizieren überträgt sich spürbar auf die Atmosphäre des Festivals. „Herbstgold in Eisenstadt ist auch als Ort der Begegnung gedacht. Hier gibt es keine langen Wege. Hier begegnet man automatisch den Künstlern und braucht keine Scheu zu haben, sie anzusprechen. Dafür sorge ich auch ein bisschen“, erklärt Rachlin. Den eingeladenen Kunstschaffenden wird bewusst kein starres Programmkorsett aufgezwungen. Im Gegenteil, hier können sie heißgeliebte Pläne umsetzen. Einer der Gründe, weshalb sie gerne dem Ruf nach Eisenstadt folgen.

Zum Wohlfühlen bei Herbstgold gehört auch die Gastronomie: Im Gegensatz zu Deutschland, wo es bei Festivals mitunter spartanisch zugeht, ist in Eisenstadt für das leibliche Wohl des Publikums gut gesorgt. In den ehemaligen fürstlichen Stallungen am Vorplatz des Schlosses Esterházy laden ein Restaurant und eine Vinothek zum Verweilen ein. Das sonnenverwöhnte Burgenland ist das Rotweinanbaugebiet Österreichs, hat aber auch hervorragende Weiße zu bieten. Und im Gegensatz zum in Festspielzeiten überfüllten, dauernervös überspannten Salzburg und dem mitunter hektisch-grantelnden Treiben in Wien oder Bregenz sind die Eisenstädter auch in der Festival-Saison lässig und freundlich.

Lädt zum Flanieren ein: Schlosspark Eisenstadt
Lädt zum Flanieren ein: Schlosspark Eisenstadt

Gleich gegenüber von Schloss Esterházy hat 2022 außerdem das Hotel Galántha als erstes Haus am Platz neu eröffnet, ebenfalls mit einem ansprechenden Restaurant und gut sortierter Weinkarte ausgestattet. Zusätzlich gibt es eine Dachterrasse mit Bar, die einen Panoramablick auf das Schloss-Areal, die Stadt und die umliegende Pannonische Tiefebene bietet. Vom Hotelzimmer ins Festivalkonzert dauert der Weg nunmehr nur fünf Minuten.

Kunst rund ums Schloss beim Herbstgold-Festival

Während des Festivalbesuchs sollte man sich eine Schlossführung durch die fürstlichen Räumlichkeiten nicht entgehen lassen, ebenso wie die Ausstellungen, die Esterházy beherbergt. Vor allem die in kluger Didaktik im grellen Pop-Art-Design gestaltete Schau „Haydn Explosiv“, die sehr viel Spaß macht. Überhaupt lohnt es sich, die Augen aufzuhalten für die Kunst rund ums Schloss, denn jährlich werden Gastkünstler für Arbeiten beauftragt, die das Festival flankieren. Gleichermaßen lässt sich der Standortvorteil Eisenstadt natürlich für vielfältige Ausflüge zum Neusiedler See mit seiner einzigartigen Fauna und Flora nutzen. Oder es geht in die Weingärten mit den typischen Kellergassen oder zur stattlichen Burg Forchtenstein, ebenfalls ein Esterházy-Besitz. Hier, wo sich Österreich jenseits des abgedroschenen Klischees der „Alpenrepublik“ zeigt, gibt es viel zu entdecken. Das Motto von Herbstgold 2023 ist übrigens „Sehnsucht“.

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