Andere Festspiel-Intendanten dürften da vor Neid erblassen: Denn welches Klassik-Festival kann schon von sich behaupten, seine Geschichte reiche mehrere Jahrhunderte zurück? Einmalig diese Tradition der Dresdner Musikfestspiele, deren früheste Wurzeln tatsächlich in den historischen Musen- und Zwingerfesten der sächsischen Kurfürsten liegen: Einst eigens für deren Genuss unter freiem Himmel errichtet, dient die barocke Pracht des Zwingers bis heute als Konzertkulisse.
Einzigartig mutet indes auch manch anderes Merkmal der sächsischen Festspiele an: War es doch ausgerechnet die sozialistische DDR-Regierung, die 1978 im „Tal der Ahnungslosen“ ein musikalisches „Fenster zur Welt“ öffnete und ihre Bevölkerung mit West-Stars wie Herbert von Karajan und den Berliner Philharmonikern beglückte. Und manch namhaften Künstler mit Delikatessen oder kostbaren Ostprodukten wie Blüthner-Flügeln „bezahlte“, da Devisen in Ost-Deutschland knapp waren. Gleichzeitig aber auch Mitmach-Konzerte ersann – in diesem Jahr lädt Ludwig Güttler neben diversen Dresdner Chören auf der Brühlschen Terrasse das Publikum zum Mitsingen ein.
Dass ein Künstler die dramaturgischen Festival-Fäden zieht, ist mittlerweile nicht mehr ungewöhnlich – schon hingegen, dass der Cellist Jan Vogler unter dem diesjährigen Motto „Empire“ weit mehr als eine beliebige Ansammlung britischer Musiker und Ensembles präsentiert. Er hat sich etwa auf die Suche gemacht nach den „Parallelen und Spuren, die wir in anderen Ländern zu unserem Thema gefunden haben“: So gibt es eine Residenz des New York Philharmonic und seines Chefdirigenten Alan Gilbert mit gleich drei Auftritten des Weltklasse-Ensembles. Doch auch darüber hinaus zeigt sich Vogler neugierig, denn „oft verselbständigten sich die kulturellen Einflüsse in den Ländern und wurden zur eigenständigen Identität, deren musikalische Traditionen sich wie Flüsse ihren Weg durch die Kulturlandschaften vieler Länder und Kontinente bahnen und ihre Spuren hinterlassen“. So auch im Konzert mit Rufus Wainwright, einem der „großartigsten Songwriter auf diesem Planeten“, wie selbst Sir Elton John neidlos anerkennt: Der Kanadier ist nämlich nicht nur als Sänger zu erleben, sondern auch als Komponist, dessen vertonte Shakespeare-Sonette sowie Auszüge aus seiner Oper „Prima Donna“ das Rotterdamer Residentie Orkest begleitet.
Da zudem nicht nur große Namen wie das City of Birmingham Symphony Orchestra und das Philharmonia Orchestra aus London oder auch Sir Neville Marriner ihr Gastspiel geben, sondern auch programmatisch viele feine Akzente locken, könnte Vogler am Ende auch hier an alte Traditionen anschließen: ein Festival zu werden, zu dem die Menschen aus ganz Europa anreisen.
Die Festivaldaten im Überblick:
Zeitraum: 11.5. – 2.6.2013
Orte: Dresden, Berlin, Pirna, Kurort Rathen
Künstler: Bejun Mehta, René Pape, Jonas Kaufmann, Simone Kermes, Roderich Kreile, Sir Neville Marriner u.a.