Sachsen-Anhalt fällt niemandem sofort ein, wenn es um besonderen kulturellen Reichtum geht, jedenfalls abseits internationaler Denkmäler. Dabei kann die Landschaft auf eine immense Geschichte verweisen, die weder beim Magdeburger Kaiser Otto anfängt noch im Dessauer Bauhaus endet. Umso erstaunlicher wirkt da das programmatisch höchst ambitionierte „IMPULS“-Festival für Neue Musik, das in diesem Herbst schon seine 13. Ausgabe erlebt, eine erstaunliche Zahl, deren Erreichen selbst allergrößte Optimisten kaum zu hoffen gewagt hatten angesichts immer wiederkehrender wirtschaftlicher Schwierigkeiten.
Doch unter der Leitung des renommierten niederländischen Komponisten und Dirigenten Hans Rotman nahm das Festival eine rasante Weiterentwicklung, weil es den Fehler vermied, irgendwelche Spezialensembles von irgendwoher aufs platte Land einzuladen. Stattdessen bezog Rotman von Anfang an heimische Orchester und deren Publikum in seine Programmierung ein, vernetzte Schulen und Hochschulen miteinander, initiierte Jugendprojekte und belebte so eine Region, in der die allgegenwärtigen Kulturhäuser nach der Deindustrialisierung die ersten waren, deren Fassaden zerbröckelten.
Kultur bieten, wo sonst Wüste wäre
Dabei muss sich Rotman im verflixten 13. Jahr doppelt behaupten, weil die künftige Förderung durch das Land ebenso ungewiss ist wie die Stabilität der Corona-Regeln, unter deren Diktum das Festival stattfinden soll. Unverdrossen will es sich unter dem Motto „Enter the void“ (Tritt in die Leere ein) als Einladung verstehen, sich nicht nur auf die Neue Musik, sondern auch auf die spröde Landschaft eines Flächenlandes einzulassen, in dessen hinterste Winkel es vordringt. Dabei hat das schon früh geplante Motto mit der Pandemie unfreiwillig eine neue Bedeutung bekommen, könnte ebenso auf leere Kassen wie auf leere Säle oder leere Köpfe verweisen, die mit neuen Inhalten wiederbelebt werden. Die IMPULS-Geber treten die Flucht nach vorn an. Vielleicht gehört dazu ein My Zweckoptimismus, aber vor allem: ein unbedingter Wille, Kultur zu bieten, wo sonst Wüste wäre.
Produktive Nutzung der Leere
Erstaunlich ist dabei nicht nur das Programm, das Rotman mit siebzehn Uraufführungen und Auftragskompositionen geplant hat, sondern auch der musikalische Im- und Export im Rahmen eines neu gegründeten europäischen Festivalnetzwerks. Damit werden nicht nur Performances aus Italien, Belgien und den Niederlanden nach Sachsen-Anhalt geholt, sondern auch hiesige Produktionen in die Gegenrichtung geschickt – auf dass die Leere auch anderswo produktiv genutzt werde. Enter!