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Kölner Fest für Alte Musik 2017

Pure Experimentierlust

Das Kölner Fest für Alte Musik wagt ungewöhnliches und macht die historische Aufführungspraxis zu einem oft unerhörten Erlebnis

vonChristian Lahneck,

Unweit rattern die Züge, oft quietschen ihre Bremsen bei der Einfahrt in den Bahnhof Ehrenfeld. Hier pulsiert das Kölner Leben: U-Bahn, Einkaufsmeile, der stark befahrene Gürtel – alles fußläufig miteinander verbunden. Auch sind es nur wenige Meter zwischen den beiden Hauptspielstätten des „Kölner Fests für Alte Musik“, nämlich den Balloni-Hallen und dem ZAMUS, dem „Zentrum für Alte Musik“. Sofern geboten, weitet man die Örtlichkeiten deutlich aus und verteilt sich quer über die Stadt, bespielt etwa die Trinitatiskirche am äußeren Zipfel der Altstadt, oder die Flora, den frisch renovierten Prachtbau im Botanischen Garten.

Das Kölner Fest für Alte Musik lebt mehr denn je

Köln wagt schon seit langem erfolgreich den Spagat als Hochburg für Neue Musik und als Zentrum für Alte Musik. 1954 wurde etwa mit der Cappella Coloniensis das weltweit erste Orchester mit historischen Instrumenten gegründet. Auch die erfolgreiche Arbeit des Barockorchesters Musica Antiqua Köln strahlt immer noch nach. Heute zählen Concerto Köln (dessen Heimatadresse übrigens dieselbe ist wie die des ZAMUS) und Konrad Junghänels Cantus Cölln zu den internationalen Aushängeschildern der ansässigen Alte-Musik-Szene. Seit 2011 gibt es inzwischen die Kölner Gesellschaft für Alte Musik, ein Jahr später wurde das ZAMUS eröffnet, das als Festival-Spielstätte nur einen kleinen Nachteil besitzt: Es ist mit seinen Plätzen für gerade mal 200 Besucher zu klein. Inzwischen ist das Kölner Fest für Alte Musik eine feste Größe in der deutschen Klassiklandschaft. Im nächsten Jahr geht man bereits in die siebte Saison, und die Erfolge der Vergangenheit waren so nachhaltig, dass man schon die Ausgabe von 2016 erweitern musste. Waren es im letzten Jahr noch 16 Veranstaltungen mit rund 4500 Besuchern, so standen im Folgejahr bereits 25 Konzerte auf dem Programm, mehr als 6200 Tickets konnten verkauft werden. Ein klares Indiz: Das Festival lebt mehr denn je.

Warum nicht mal ein Choral von Bach auf Türkisch?

„Wir wollen zeigen, dass Alte Musik nicht von gestern ist, sondern für heute und die Zukunft viel zu sagen hat. Dazu möchten wir neue Wege und Zugänge eröffnen“, erklärt Festivalleiter Thomas Höft. Er hat zuvor schon in Brandenburg, Augsburg und Graz erfolgreich Festivalgestaltung betrieben. Jetzt ist er in Köln der Spiritus Rector, der mit ungewöhnlichen Ideen und Formaten dem Festival ein Profil verliehen hat. Immer wieder wagt er Ungewöhnliches, fordert Mutiges ein: 2014 etwa konnte man erleben, wie das CölnerVocal- Consort, assistiert vom Ensemble Sarband, mit seinem arabischen Instrumentarium den Choral „Wie soll ich dich empfangen“ aus dem Weihnachtsoratorium als Zugabe sang (in der Matthäuspassion lautet der Text übrigens „Wenn ich einmal soll scheiden“, eines der Beispiele für Bachs Auto-Kleptomanie). Doch das VocalConsort sang die erste Strophe – in türkischer Sprache! Ein musikalisch-kultureller Hybrid, der bezeichnend ist für dieses Festival, das sich nicht aufs Abspulen traditioneller Muster beschränkt.

Der Arbeitstitel für 2017 lautet „Greatest Hits“. Dann wird Thomas Höft erneut Vergangenheit und Gegenwart, Originalklang und Zeitgemäßes, kölsche Einheimische und internationale Gäste zusammenbringen. Experimentierlust garantiert, passend zum Sitz des ZAMUS – mitten im Leben zwischen Eisenbahn und Einkaufsmeile.

Die Festivaldaten im Überblick:
Zeitraum: 17.3.–2.4.2017
Mit: Iris Vermillion, Guildo Horn, Musica Fiata, Marie Friederike Schöder, Justin Taylor u.a.
Ort: Köln

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