Zwei Spielzeiten musste sich der Ludwigsburger Festspielintendant coronabedingt als Krisenmanager durchschlagen, doch nun darf Jochen Sandig zum ersten Mal auf einen störungsfreien Ablauf der von ihm kuratierten Schlossfestspiele hoffen. Aber was heißt schon störungsfrei in Zeiten eines Krieges in Europa, zumal wenn die Dirigentin des Eröffnungskonzerts Oksana Lyniv heißt und aus der Ukraine stammt? Also hat man schnell reagiert: „No More War“ lautet nun der Untertitel des Eröffnungskonzerts am 5. Mai, bei dem das ursprünglich vorgesehene Werk des Mozartsohnes Franz Xaver durch ein Werk der ukrainischen Komponistin Victoria Poleva ersetzt wurde, das diese in den ersten Kriegstagen in Kiew komponierte. Tschaikowskys sechste Symphonie dagegen darf – eine kluge Entscheidung – bleiben.
Als ein „Fest der Künste, Demokratie und Nachhaltigkeit“ deklariert Sandig die Festspiele. Eingelöst werden soll dies zum einen durch eine Vielzahl an Konzerten hochkarätiger Künstler. Stars der Klassikszene wie René Jacobs, Jan Lisiecki, das Kronos Quartet, Sol Gabetta oder Kristian Bezuidenhout stehen dafür ebenso wie die Auftritte renommierter Tanzensembles wie etwa dem von Sandigs Ehefrau Sasha Waltz, das insgesamt dreimal mit einer Produktion „Dido and Aneas“ in Ludwigsburg gastiert. Der Themenschwerpunkt „Demokratie und Frieden“ findet unter anderem in einem Konzert des Festspielorchesters unter dem belarussischen Dirigenten Vitali Alekseenok Berücksichtigung, bei dem auch Gedichtvertonungen belarusischer Komponisten auf dem Programm stehen.
Freiluftkonzerte auf dem Marktplatz
Nun haben Festspielkonzerte bekanntermaßen ihren Preis. Damit sich die Schlossfestspiele aber nicht ausschließlich an das solvente Publikum richten, hat Jochen Sandig neben kostenfreien Streamingübertragungen von Festspielkonzerten auch eine Reihe von Gratisveranstaltungen geplant. So werden während der Festspielsaison vom 6. Mai bis zum 15. Juli insgesamt elf Mal jeden Freitag um 18 Uhr auf dem Ludwigsburger Marktplatz Freiluftkonzerte veranstaltet. Wer genau auftreten wird, ist noch nicht bekannt, den Auftakt jedenfalls macht ein Kammerensemble des Youth Symphony Orchestra of Ukraine.
Und was ist mit der Nachhaltigkeit? Auch wenn die Ökobilanz eines Festivals, zu dem Tausende mit dem Auto anreisen, ganz grundsätzlich nicht die beste sein dürfte, so lassen sich programmatisch doch zumindest gut gemeinte Akzente in diese Richtung setzen. Dazu zählt ein durch Videoprojektionen angereicherter Konzertabend mit dem Mahler Chamber Orchestra und der Geigerin Patricia Kopatchinskaja, die Beethovens naturverklärende „Pastorale“ mit Werken von Schumann und Schostakowitsch in Beziehung setzen, sowie das auf Haydns „Schöpfung“ basierende Projekt der Gaechinger Cantorey „Erde an Zukunft“ mit Schülern der Region Stuttgart.