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Festivalguide Incontri in Terra di Siena 2015

Magische Begegnungen im Sehnsuchtsland

Die Incontri in Terra di Siena vereinen im Süden der Toskana Agrikultur mit Hochkultur

vonPeter Krause,

Nirgends besitzt die Toskana eine erregendere Schönheit als hier im Süden der Sehnsuchtsregion der Deutschen. Mit Montepulciano und Montalcino finden sich hier die legendären Orte guten Weins; dank der reichen Palette regionaler Spitzenprodukte lässt sich speisen wie Gott in Italien – und das Orcia-Tal sowie die karstige Landschaft der Crete-Hügel betören das Auge. Günstig gelegen an der Via Francigena und Via Cassia nach Rom machten Pilger wie Kaufleute hier jahrhundertelang Halt und brachten bescheidenen Wohlstand.

Wo heute der Individualtourismus blüht wie kaum sonst im krisengebeutelten Stiefelstaat, herrschte vor 100 Jahren freilich nichts als bittere Armut: Die Abholzung weiter Landstriche hatte den Bauern ihre Lebensgrundlage geraubt. Auch das Landgut von La Foce, 1498 von Renaissance-Architekt Peruzzi als Osteria für die Durchreisenden gebaut, war der Verwahrlosung preisgegeben, als der florentinische Adlige Antonio Origo und seine junge angloamerikanische Frau Iris es 1924 kauften. Ihre Vision: die umfassende Kultivierung und Resozialisierung des Anwesens wie der gesamten Gegend. Sie bauten nicht nur den Bauernhof aus, sondern schufen eine Schule, einen Kindergarten und ein Tageskrankenhaus. Und sie ließen vom englischen Landschaftsarchitekten Cecil Pinsent einen Garten entwerfen, der ihrer praktischen Vision eine ästhetische an die Seite stellte. Eine politische kam dann im Zweiten Weltkrieg hinzu: La Foce wurde zum Fluchtort für evakuierte Kinder und geflohene Kriegsgefangene – die 1988 verstorbene Iris Origo hat die bewegten Zeiten in ihren Büchern aufregend lebendig gehalten.

 

Heute trägt ihre Tochter Benedetta hier die Verantwortung, und deren Sohn Antonio Lysy ist künstlerischer Leiter jenes Kammermusikfestivals, das den bezeichnenden Namen „Incontri in Terra di Siena“ trägt. Begegnungen also wollen die Nachkommen der Origos nun bereits seit 1989 stiften – im Andenken an ihre Eltern und Großeltern. Zu den Gründungsmitgliedern des Festivals gehörten keine geringeren als Hans Werner Henze und Yehudi Menuhin: Der große Geiger hatte einst den Vater des heutigen Festivalchefs unterrichtet – und jener Alberto Lysy wiederum war es, der dann seinerseits die Menuhin Musikakademie im schweizerischen Gstaad 1977 mitinitiierte.

Brücken bauen über die Musik hinaus

Eben dieser Geist des Miteinanders von erfahrenen und jungen Meistern ist es, der nun auch die „Incontri“ prägt: Station machen hier nicht nur strahlkräftige Namen wie in den vergangenen Jahren etwa der Geiger Maxim Vengerov, der Pianist Saleem Ashkar oder auch Maestro John Eliot Gardiner, der in diesem Sommer mit Monteverdis Madrigalen in die Hügel südlich von Siena ebenso zurückkehrt wie das Borromeo String Quartet. Nein, gleichsam als Fortschreibung des sozialen und politischen Engagements der Begründer einer Renaissance von La Foce haben hier eben auch Projekte ein Zuhause, die – ähnlich Daniel Barenboims West-Eastern Divan Orchestra – durch die künstlerische Kommunikation Brücken bauen. So war einer der musikalischen und emotionalen Höhepunkte des Programms im vergangenen Jahr etwa der Auftritt des Polyphony Youth Ensembles: Da vereinten sich arabische und jüdische Studierende, um in erregter Harmonie Haydn und Dvořák zu spielen – junge Leute, die zu Botschaftern der Möglichkeit friedlicher Konfliktlösungen wurden.

Begegnungen finden in La Foce aber auch im Kleinen und jenseits des offiziell Planbaren statt, und auch sie stehen ganz konkret für die Haltung der Familie Origo, die Rekultivierung ihrer Region als Kulturprojekt zu begreifen. Hier lauscht der toskanische Bauer neben dem amerikanischen Mäzen der Musik. Plaudern die Besucher mit den Musikern in der Pause – um sich hernach entspannt im „Dopolavoro“ zu treffen, jenem Restaurant namens „Nach-der-Arbeit“, das sich im Festivalherzen, dem Ort Castelluccio, befindet. 

Seine Verankerung in der Region muss das kleine feine Festival von La Foce also nicht behaupten: Es lebt sie einfach. Und wird dadurch ganz ohne wohlfeile Marketingsprüche zu einem musikalischen Magneten mit großer Strahlkraft.

 

Die Festivaldaten im Überblick: 

 

Zeitraum: 25.7. – 31.7.2015

Ort: Sarteano, Pienza, La Foce u. a.

Künstler: John Eliot Gardiner, Ian Bostridge, Alessio Bax, Borromeo String Quartet, Antonio Lysy u. a.

 

Termine und weiterführende Infos finden Sie hier. 

 

Was es im Bereich Festival zu entdecken gibt, stellen wir Ihnen in unserem Festivalguide vor.

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