Festivals werden meist aus künstlerischen Motiven gegründet. Nicht so bei den Europäischen Wochen in Passau, die der amerikanische Kulturoffizier Robert M. Allen 1952 ins Leben rief. Er und sein Land sahen die Bischofsstadt im besetzten Deutschland an der „tschechoslowakischen Grenze der russischen Zone Österreichs“ als strategisch idealen Ort an, um „die geistig-moralische Haltung (…) am Rande der westlichen Welt zu stärken“. Eine kluge Entscheidung vor dem Hintergrund, dass Passau – ebenso wie manch andere Stadt in der Bundesrepublik – auf eine unselige NS-Vergangenheit zurückblickte, die sich auch im Nachkriegsdeutschland nicht so schnell verflüchtigen wollte.
Gleichzeitig wollten die Amerikaner in den 1950er-Jahren die Stadt als Bollwerk gegen das kommunistisch beherrschte Osteuropa etablieren. Die Intendanten des Festivals allerdings begriffen es eher als ein Forum für Künstler und Kultur aus Ost und West und als touristische Attraktion. Schließlich ist Passau eine wunderschöne Stadt, für die man sich Zeit und Muße nehmen sollte, nicht nur um durch die kopfsteingepflasterten Straßen der Altstadt zu wandern und in der Höllgasse bayerische Gastwirtschaft zu genießen.
Da ist der Dom St. Stephan mit seinen prächtigen Deckenmalereien, da sind zahlreiche Kirchen, Bischofsresidenzen, Domherrenpaläste und Häuser der durch den Salzhandel reich gewordenen Bürger. Nicht zu vergessen die mächtige fürstbischöfliche Trutzburg Veste Oberhaus hoch über der Donau, die vom Wasser umgebene Veste Niederhaus, das Kloster Mariahilf mit seiner 321-stufigen Wallfahrtstreppe und die fast italienisch anmutende Bauweise der Innstadt. Und da ist das „Dreiflüsseeck“ Passau: Donau, Inn und Ilz fließen fast an derselben Stelle zusammen – und die verschiedenen Farben der drei Flüsse lassen sich je nach Jahreszeit noch einige hundert Meter stromabwärts unterscheiden.
Wenn nicht nur die musikalischen Grenzen fallen: Drei-Länder-Festival am Dreiflüsseeck
Mehr als zwei Millionen Tagestouristen pro Jahr schätzen all dies. Und Zehntausende von ihnen kamen 2013 zum Festival, das in diesem Sommer den Blick auf den Bosporus richtet. Zu mehr als 90 Veranstaltungen lädt Intendant Peter Baumgardt ein auf Freilichtplätzen, in Schloss- und Burghöfen, in Kirchen, Klöstern, Festsälen und Filmtheatern der ostbayerischen Städte Passau, Deggendorf, Freyung-Grafenau, Regen, Rottal-Inn und Straubing-Bogen über Schärding und Grieskirchen in Oberösterreich bis hin nach West- und Südböhmen.
Türkische Volksmusik wird auf barocke Hochkultur treffen, historische Reiseberichte auf zeitgenössische Musik, Jazz auf orientalische Klänge, West auf Ost, Mozart auf Dvořák, Fazil Say auf Gitte Haenning, Tabea Zimmermann, Rudolf Buchbinder und PERA als „Ensemble in Residence“. Ein Höhepunkt: die traditionelle „Orgelnacht“ im barocken Stephansdom, der über die größte Kirchenorgel der Welt verfügt. Sechs Organisten werden ab 21:07 Uhr bis in die Früh, von Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang, hunderte Besucher mit dem Klang der 18000 Pfeifen und etwa 240 Register verzaubern. Diejenigen, die einmal dabei gewesen sind, sagen, nach so einem Marathon sei man ein anderer Mensch.
Was es im Bereich Festival noch zu entdecken gibt, stellen wir Ihnen in unserem Festivalguide vor.