Dialoge – Das Festival der „Stiftung Mozarteum Salzburg“ lautet der offizielle, ein wenig sperrige Name des seit 2005 jährlich wiederkehrenden Festes für Mozart und die Gegenwart. Natürlich ist und bleibt die „Mozartwoche“ rund um den 27. Januar das zentrale Festival der Stiftung, seit 1956 fester Bestandteil des Festivalreigens und die Pilgerwoche all jener, für die Mozart der Mittelpunkt des musikalischen Universums ist. Doch spätestens seit dem Mozartjahr 2006 kreisen rund um Wolfgang Amadé, das Zentralgestirn des Salzburger Musiklebens, in beiden Festivals auch die Sterne der Moderne. Ein Brückenschlag in die Gegenwart, mit dem Stiftungs-Präsident Johannes Honsig-Erlenburg (Orgel spielender Jurist aus alter Salzburger Familie) und der damalige künstlerische Leiter Stephan Pauly (ein Kölner mit Bayreuth-Erfahrung und seit 2012 Intendant der Alten Oper in Frankfurt) Mut bewiesen haben. Es gab Proteste aus dem konservativen Eck, es kam zu einem gewissen Publikumsaustausch: Mozart und Lachenmann im selben Konzert – das verstörte manche Leute. Doch eben solche Programme bewirkten auch die Erfolgsgeschichte.
Denn die Qualität stimmt bis heute, Honsig ist der Idee ebenso treu geblieben wie Paulys Nachfolger Matthias Schulz. Mit Gästen wie Meg Stuart oder Christoph Schlingensief wurden ungewöhnliche Perspektiven auf die Musik ermöglicht, Kontraste von alt und neu eröffneten dem Hörerlebnis weite Räume. Performance, Tanztheater und Film haben Einzug gehalten ins altehrwürdige Haus in der Schwarzstraße mit seinen bayrischen Jugendstil-Engeln und seiner fabelhaften Akustik. Ja, hinter dem Denkmal des apollinischen Genius Loci ist ein zeitloser Provokateur sichtbar geworden, wenn etwa ein Pianist wie Pierre-Laurent Aimard oder ein Konzeptkünstler wie Xavier Le Roy sich mit Mozarts Œuvre befassen. „Wenn uns dabei das Erlebnis der Musik immer wieder um Worte ringen lässt“, freut sich Schulz, „dann vereinen sich in ihr Sinn, Kraft und Tat in beglückender Weise.“
2014 im Mittelpunkt: György Ligeti und Peter Eötvös
Mag Salzburg auch noch immer der Ruf als Zentrum der „Antimoderne“ anhaften, die Realität zeugt nicht erst seit den „Dialogen“ vom Gegenteil: Immerhin wurde an der Salzach im Café Bazar anno 1922 die Internationale Gesellschaft für Neue Musik gegründet, wurden selbst während Karajans Festspielstar-Ära Opern von Friedrich Cerha oder Luciano Berio uraufgeführt. Während die Stiftung Mozarteum indes früher vor allem Salzburger Größen förderte, setzt sie seit einem Jahrzehnt auf die Begegnung mit weltweiter Moderne von Toshio Hosokawa und György Kurtág bis zu Mark Andre und Thomas Larcher. In der diesjährigen „Dialoge“-Ausgabe vertreten nun zwei Ungarn die Avantgarde: postum György Ligeti und sehr lebendig Peter Eötvös. Motto des Festivals 2014 ist dabei das „Wort“, mit dem sprachschöpferischen Briefkünstler Mozart als Paten: Schließlich beflügelte dessen „Lust an Sinn und Unsinn“ nicht zuletzt Ligeti. Und für den Opernmeister Eötvös ist das Wort ohnehin Bestandteil seiner Arbeit, in der sich ein Streichquartett über Mozart-Briefe ebenso findet wie das nach Mozart-Fragmenten entstandene da capo für Cimbalom und Ensemble.
Begegnungen mit Kunst und Künstlern in lockerer Atmosphäre
Seinen besonderen Reiz gewinnt das Festival indes auch aus der lockeren Atmosphäre, mit oft veränderter Bestuhlung und Beleuchtung, mit Gesprächen, feinen Jausen in den Pausen und einem Treffen der Künste und der Künstler nicht nur in den Sälen, sondern auch in den Foyers. Skulpturale Objekte des Belgiers Fred Eerdekens werden diesmal „Dialoge“ mit der alten Architektur führen, Klang- und Chat-Installationen zu akustischen und kommunikativen Abenteuern einladen. Das Ensemble Musikfabrik und die schräge Tiroler „Franui Musicbanda“ versprechen unkonventionelle Zugänge. Im Wiener Saal legt DJ Letizia Renzini zu Drinks auf, im Großen Saal läuft Kubricks Film-Klassiker 2001: Odyssee im Weltraum. Geigerin Patricia Kopatchinskaja spielt Eötvös, und das Finale bildet wie immer Mozarts Requiem, diesmal mit der Camerata Salzburg und Pult-Jungstar Pablo Heras-Casado, dazu erklingt Ligetis Lux aeterna. Ja, im Salzburger Advent erstrahlt neues Licht in alten Hallen.