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News: Initiative „Forum Musik Festivals“

#verspieltnichtdiemusik

Im Namen aller Kollegen haben 40 deutsche Festivals der Bundesregierung ein Positionspapier zur Unterstützung und Rettung der Sparte vorgelegt.

vonNinja Anderlohr-Hepp,

Jeden Tag werden es mehr: Die Absagewelle der deutschen und internationalen Festivals setzt sich seit Wochen fort. Nach einigen kleineren Veranstaltern hat in der letzten Woche auch das Schleswig-Holstein Musik Festival seine Konsequenzen aus der Krise gezogen und die geplanten Sommerkonzerte gestrichen. Die Schubertiade lässt drei Zyklen ausfallen, das Klavierfestival Ruhr schiebt hoffnungsvoll Veranstaltungen in den Herbst. In allen Fällen ging diesen Entscheidungen eine langwierige Diskussion voraus, ausgelöst durch die in weiten Kreisen als „Salami-Taktik“ beurteilte Vorgehensweise der Regierung: In kleinen Schritten wolle man nach und nach das öffentliche Leben wieder „hochfahren“, heißt es beinahe täglich – doch sehen sich die Musikfestivals durch der Planung der Regierung vernachlässigt oder sogar existenzbedroht.

Nun melden sich erstmals 40 Vertreter der deutschen Festivalszene unter dem Hashtag #verspieltnichtdiemusik gemeinsam kritisch zu Wort: Eine Musiksparte, die in der Vergangenheit doch eher im Viel- statt Einklang an die Öffentlichkeit trat, probt den Schulterschluss. Im Namen der über 600 Festivals im Land fordert das „Forum Musik Festivals“ in einem heute der Bundesregierung vorgelegten Positionspapier mehr Klarheit in Bezug auf das weitere Vorgehen. Dazu gehören für die Festivalmacher eine konkrete Definition des Begriffs „Großveranstaltung“, eine spezifischere Auslegung der Hygienevorschriften, genauso wie die Planung und pauschale Verfügbarmachung unterstützender öffentlicher Gelder für die kommende Saison. Im Positionspapier heißt es: „Groß denken! Europäisch denken!“

Inwieweit und wie die Bundesregierung auf das Papier reagieren wird, können nur die nächsten Wochen zeigen. Allerdings ist schnelles Handeln gefragt: Denn nicht nur droht die Absage von Jubiläums-Spielzeiten bei den Salzburger Festspielen, den Sommerlichen Musiktagen Hitzacker und den Festspielen Mecklenburg-Vorpommern. Die Festivalmacher finden für das Endresultat der aktuellen politischen Marschrichtung eine klare Formulierung: „Wer jetzt Festivals und Künstler sterben lässt, wird morgen mit kulturell verwaisten Landstrichen bestraft.“

Lesen Sie hier das vollständige Positionspapier:

FORUM MUSIK FESTIVALS

Bewältigung der Krise und Zukunftssicherung

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, sehr geehrte Minister*innen des Bundeskabinetts, sehr geehrte Ministerpräsident*innen, sehr geehrte Vorsitzende des Kulturausschusses des Bundestages, sehr geehrte Frau Kulturstaatsministerin!

Die Corona-Pandemie hat die Kulturszene weltweit in eine tiefe Krise gestürzt. Die von Bund und Ländern versprochene schnelle Hilfe kommt nicht immer bei den Adressaten an. Nachdem Künstler*innen in existenzielle Not geraten sind, droht nun auch der Veranstalterbranche ein Kahlschlag. Zusätzlich erschweren unterschiedliche Maßgaben in den einzelnen Bundesländern die Arbeit.

40 Festivals aus ganz Deutschland stellen, stellvertretend für Hunderte weitere, fest:

  1. Musikfestivals sind ein unverzichtbarer Teil des menschlichen Zusammen- und Kulturlebens. Gemeinsam und gleichrangig mit Konzert- und Opernhäusern, Orchestern und Chören gestalten sie das weltweit bewunderte „Musikland Deutschland“.
  2. Musikfestivals bringen Kultur auch und vor allem in den ländlichen Raum. Sie ermöglichen damit auch breiteren Publikumskreisen als in den großen Städten die Begegnung mit hochwertigen musikalischen Live-Erlebnissen. Wer jetzt Festivals und Künstler sterben lässt, wird morgen mit kulturell verwaisten Landstrichen bestraft.
  3. Rund 600 Musikfestivals mit internationaler Ausstrahlung in ganz Deutschland sind ein bedeutender Wirtschaftsfaktor mit insgesamt etwa 400 Millionen € Gesamtumsatz und einer vielfachen Wertschöpfung.

Wir fordern konkret:

  1. Klare Sprache in den Verfügungen!

    In der Krise muss die Politik differenzieren und darf die Vielzahl der Kulturinstitutionen und Veranstalter nicht in einen Topf werfen! Klare und einheitliche Regelungen müssen sein. Was ist „Höhere Gewalt“? Was ist eine „Großveranstaltung“? Wer definiert rechtssicher das Andauern einer Pandemie? Mit frühzeitigen und langfristigen Verfügungen können wir besser arbeiten als mit einer anhaltenden Unsicherheit und nebulösen Allgemeinplätzen. Es kann nicht sein, dass Festivalmacher*innen mit der Entscheidung zur Absage allein gelassen werden und sich in nicht zu beziffernde Haftungsrisiken begeben.
  2. Gleichbehandlung von Kultur mit Sport, Religionsgemeinschaften und Wirtschaft! Strenge Hygiene- und Abstandsregeln können auch bei Kulturveranstaltungen umgesetzt werden. Kultur besteht nicht nur aus Großveranstaltungen. Es gibt ausreichend Repertoire für variable Besetzungen und viel Kreativität für alternative Formate. Kulturinstitutionen und Künstler*innen können auf diese Weise Verluste mindern.
  3. Planungssicherheit für die nahe Zukunft!

    Festivalmacher*innen mit Veranstaltungen in den kommenden Monaten müssen täglich zwischen professioneller Vorbereitung für eine erfolgreiche Durchführung und den Risiken einer drohenden Absage abwägen. Hier braucht es schnell verlässliche Kriterien und klare Rahmenbedingungen in Bezug auf die zukünftige Zuwendungsfähigkeit der Kosten.

    Bei vielen Festivals stehen darüber hinaus Verhandlungen über öffentliche Mittel des nächsten Jahres an. Wir fordern eine möglichst pauschale Ansetzung und Bewilligung der durchschnittlichen Zuwendungen der vergangenen drei Festivalausgaben. Die Finanzierung von Festivals darf nicht unter „Freiwillige Leistungen“ subsumiert werden.
  1. Faire Behandlung für alle Festivals!

    Die Krise trifft die Festivals zu unterschiedlichen Zeitpunkten. Es darf kein Wettrennen um Rettungsfonds geben. Auch Festivals im weiteren Verlauf des Jahres leiden unter Planungsunsicherheit. Eintrittsgelder, Spenden und Sponsoring gehen massiv zurück. „First come, First served“ darf kein Grundsatz öffentlicher Kulturförderung sein.
  2. Hilfe für die Essenz aller Festivals: die Künstler*innen!

Es sind vor allem freiberufliche Künstler*innen und freie Ensembles, die unsere Festivals zum Strahlen bringen. Die Schäden gehen aktuell einseitig zu Lasten dieser Künstler*innen. Wir fordern, dass auf allen Ebenen Ausfallhonorare sowie bereits entstandener Aufwand für Vorbereitung und Reisekosten als zuwendungsfähig anerkannt und damit auch ausgezahlt werden können. Im Idealfall gibt es ein einheitliches Verfahren auf den Ebenen Europa, Bund, Land, Kommunen und Landkreisen. Externe Berater*innen warnen derzeit vor der Gefahr, bei Zahlung ohne vereinbarte Leistung die Gemeinnützigkeit zu verlieren. Dazu darf es nicht kommen.

  1. Bewilligungszeiträume bis Ende 2021 verlängern!

    Den Umfang der Schäden zu ermitteln ist eine komplexe Rechenaufgabe. Dazu benötigen wir Zeit. Oft arbeiten wir nur in kleinen Teams und sind derzeit ohnehin mit der Bewältigung der Krise (Ticketrückerstattung etc.) stark gefordert. Die Abwägung zwischen Verschiebung und Absage bedarf einer behutsamen und überlegten Planung. Wir fordern die pauschale Verlängerung der Projekt- und Abrechnungszeiträume für alle öffentlichen Mittel bis zum 31.12.2021.Darüber hinaus fordern wir:Einheitliche Regeln schaffen

    Regelungen für einzelne Bundesländer greifen zu kurz und sind nicht vermittelbar. Unsere Künstler*innen kommen aus vielen Ländern und Regionen Europas. Groß denken! Europäisch denken! In jedem Fall muss der Bund mit klaren Aussagen vorangehen. Momentan wartet ein Förderer auf den anderen.

    Finanzierung vereinfachen

    Musikfestivals sind zu großen Teilen privat und mit viel ehrenamtlichem Engagement organisiert und finanziert. Staatliche und kommunale Stellen beteiligen sich auf Antrag mit Zuwendungen. Die Antragsverfahren müssen vereinfacht und als Festbetragsfinanzierung ausgeführt werden. Spenden und Sponsoring von privater Seite müssen gerade jetzt noch attraktiver gemacht werden, damit unsere Unterstützer für ihr persönliches Engagement in der Krise belohnt werden.


    Rücklagen und Zukunftssicherung

    Eingenommene Mittel müssen auf das Folgejahr übertragbar sein. Auch gemeinnützige Träger müssen Rücklagen bilden dürfen.


    Faire Behandlung unseres Publikums und der Künstler*innen

    Künstler*innen sind keine Dienstleister, sondern Partner. Wenn Zuschauer*innen den Gegenwert ihrer Tickets spenden, haben sie dabei nicht die Entlastung öffentlicher Haushalte im Sinn. Wer Spenden von Ticketkunden annimmt, muss das Geld auch den Künstler*innen zukommen lassen dürfen.


    Zukünftige Lastenverteilung

    Wir müssen uns bereits jetzt auf eine zukünftige, solidarische Lastenverteilung verständigen.

Die aktuelle Krise darf die deutsche Kulturlandschaft nicht weiter beschädigen. Wir sind gerne bereit, gemeinsam mit Ihnen Lösungen für die Zukunft zu finden. Sprechen Sie uns an!

Erstunterzeichner*innen:

Köthener Bachfesttage – Folkert Uhde (Intendant)
Stiftung Händel-Haus / Händel-Festspiele Halle (Saale) – Clemens Birnbaum (Direktor Stiftung Händel-Haus/Intendant Händel-Festspiele Halle (Saale)
Musikfestspiele Potsdam Sanssouci – Dorothee Oberlinger (Intendantin)
Internationale Händel-Festspiele Göttingen – Tobias Wolff (Geschäftsführender Intendant) Musikfest ION – Moritz Puschke (Künstlerischer Leiter)
Impuls-Festival für Neue Musik Sachsen-Anhalt – Hans Rotman (Intendant)
Hofmusik Festival – Martin Kallnischkies (Geschäftsführer)
zamus – Zentrum für Alte Musik / KGAM e.V. – Mélanie Froehly (Geschäftsführung)
Steinway-Festival Wolfshagen im Harz – Noah Vinzens (Künstlerischer Leiter)
Heinrich Schütz Musikfest – Dr. Christina Siegfried (Intendantin)
Kissinger Sommer – Dr. Tilman Schlömp (Intendant)
Langenberg Festival – Nina Reddig (Gesamtleitung)
Bachwoche Ansbach – Dr. Andreas Bomba (Geschäftsführer und Intendant)
Braunlager Maikonzerte – Kaja Engel (Festivalleiterin)
Schleswig-Holstein Musik Festival – Dr. Christian Kuhnt (Intendant)
Kammeroper Köln/Musikpicknick – Esther Hilsberg-Schaarmann (Intendantin)
Festspiele Mecklenburg-Vorpommern – Toni Berndt (Kaufmännischer Direktor)
Kasseler Musiktage – Olaf A. Schmitt (Künstlerischer Leiter)
Sommerliche Musiktage Hitzacker – Dr. Christian Strehk (Vorstandsvorsitzender)
Thüringer Bachwochen – Christoph Drescher (Festivalleitung)
Köthener Herbst – Dr. Andreas Glöckner (Künstlerischer Leiter)
Ludwigsburger Schlossfestspiele – Jochen Sandig (Intendant)
Mozartfest Würzburg – Evelyn Meining (Intendantin)
Internationales Musikfestival Koblenz – Benedict Klöckner (Künstlerischer Leiter)
Musikfest Eichstätt – Heidi Gröger (Künstlerische Leitung)
SPAM –Spandau macht Alte Musik – Johannes Weiss (Künstlerischer Leiter)
Festival Alte Musik Knechtsteden – Michael Rathmann (Festivalmanagement)
Internationale Musikfestspiele Weilburger Schlosskonzerte – Stephan Schreckenberger (Intendant)
Tanz-Kultur-Woche Göttingen – Judith Kara (Künstlerische Leitung)
Bachfest Leipzig – Prof. Dr. Michael Maul (Intendant)
Klavier-Festival Ruhr – Birgit Glasow-Carl (Künstlerische Direktorin)
Int. Festival für Vokalmusik „acappella“ Leipzig/Sommertöne-Festival – TobiasRosenthal (Organisation)
Arbeitskreis Kultur im Kreis Göttingen – S. Karnehm-Wolf, G. Jess, H. Stock (Organisationsteam)
Mosel Musikfestival gGmbH – Tobias Scharfenberger (Geschäftsführender Intendant)
Luisenburg-Festspiele Wunsiedel – Harald Benz (Kaufmännischer Theaterleiter)
Magdeburger Telemann-Festtage – Dr. Carsten Lange (Leiter)
Musikfest Bremen – Thomas Albert (Intendant)
Opernfestspiele Heidenheim – Marcus Bosch (Künstlerischer Direktor) Gandersheimer Domfestspiele – Achim Lenz (Intendant)
Brandenburger Festspiele – Manuel Dengler (Intendant)

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