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Porträt Festival Kontraste

In Töne gegossenes Leben

Beim neuen Festival Kontraste begeben sich Iris Berben, Olena Kush­pler und Roger Willemsen auf einen spannenden Grenzgang zwischen Musik und Literatur

vonPeter Krause,

Für all jene Ohrenmenschen, die das Staunen über den Beziehungszauber von Worten und Tönen nicht verlernt haben, gibt es jetzt ein neues Festival. Es heißt „Kontraste“, es findet in der stimmungsstarken Krypta von St. Michaelis statt, und es ist sparten- und epochenübergreifend, musikalisch und literarisch, ideenreich und idealistisch. Olena Kushpler, die mutige Macherin der „Kontraste“, stellt damit eine alte Wahrheit neu unter Beweis, die besagt: Große Musiker sind auch große Geschichtenerzähler. Wenn ein Alfred Brendel seinen Haydn oder Beethoven spielte, ließ der unsentimentale Meisterpianist und nebenberufliche launige Poet schließlich stets mitschwingen, dass Musik sehr viel mehr ist als tönend bewegte Form.

Für Brendels junge Kollegin Olena Kushpler gilt etwas ganz Ähnliches. Denn die aus dem ukrainischen Lemberg stammende Künstlerin, die in Hamburg zu Hause ist, schöpft als Pianistin immer wieder aus dem reichen Fundus des geschriebenen Wortes: „Neben Musik ist Literatur meine zweite Existenz. Ich lese sehr viel und habe immer eine starke Verbindung zwischen den Künsten empfunden.“ Das Inspirationspotenzial der einen Kunst für die andere ist Kushpler ein Elexier ihrer Arbeit. Um endlich einmal den Verwebungen und Modulationen zwischen Musik und Literatur auf den Grund zu gehen, hebt die Pianistin nun ihr eigenes Festival aus der Taufe. Die künstlerische Leiterin will, so bekennt sie, „in musikalisch-literarischen Konzerten Denkanstöße geben, wie der Dialog zwischen diesen beiden Künsten entsteht, wie sie harmonieren oder aber in Kontrast zueinander treten.“ Begeistert von Kushplers Konzept, haben für die Festivalpremiere vom 24. bis 26. Februar hochkarätige Kollegen zugesagt: Iris Berben und Roger Willemsen als Künstler des Wortes oder Norman Shetler und Marina Chiche als Künstler der Töne.

Im Eröffnungskonzert am 24. Februar liest Iris Berben Gedichte von Selma Meerbaum-Eichinger, die mit Paul Celan und Rose Ausländer zum literarischen Dreigestirn von Czernowitz gehört. Ihre Poesie, ersonnen im Angesicht von Verfolgung und Tod, hat Samir Odeh-Tamimi in seine feinsinnigen Lieder verwandelt. Der in Israel lebende Palästinenser thematisiert seinerseits Gewalt und Ausgrenzung: Wenn Musik in Töne gegossenes Leben ist, dann an diesem Abend des gemeinsamen Suchens und Ringens um den Ausdruck des Unaussprechlichen. Bereichern und vertiefen hier unter dem Motto „Ich bin in Sehnsucht eingehüllt“ die Vertonungen das Wort, bezieht das Ensemble Zeitkunst tags darauf die Literatur der Gegenwart unmittelbar auf zeitgenössische Kammermusik: Die Mitglieder des Ensembles sind junge Literaten und junge Musiker – in der Durchlässigkeit zwischen den Künsten sieht Olena Kushpler ein echtes Zeichen der Zeit. Übrigens ist keiner der Lyriker älter als 30 Jahre, und auch die Musiker des Abends gehören zur jungen Elite: der Pianist Caspar Frantz, der Bratscher Manuel Hofer und der Cellist Julian Arp, sowie als Gast die Geigerin Marina Chiche. Unter dem Motto „Signs, Games and Messages“ verschreibt sich die ausgezeichnete Künstlergruppe einem kreativen Diskurs aus Worten und Tönen, in dem die ganze Botschaft garantiert mehr ist als die Summe ihrer Teile. Gemeinsam mit Roger Willemsen gestaltet Olena Kushpler am 26. Februar, dem letzten Festivalabend, die Deutschlandpremiere eines Hiob gewidmeten Programms: Willemsen liest aus seinem neuen Buch, Kushpler spielt Musik von Galuppi, Schumann, Prokofjew, Mompou und Debussy.

Neue Zugänge in neuen Konzertformen zu schaffen, heißt für die Festivalmacherin auch, Angebote für Kinder zu generieren, die für Erwachsene nicht minder spannend sind. Und so führt Marina Chiche am Samstagnachmittag epochenübergreifend in die Geigenkunst ein, und einer der größten Liedbegleiter überhaupt führt am Sonntag sein musikalisches Puppenkabarett auf: Norman Shetler wird mit Musik von Mozart und Schubert einmal mehr höchst humorig beweisen, dass große Musiker wunderbare Geschichtenerzähler sind.

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