Als seine „erste und einzige Liebe“ bezeichnete Richard Wagner die kunstbegeisterte Unternehmergattin Mathilde Wesendonck, mit der er 1858 in Zürich eine kurze, aber leidenschaftliche Liaison hatte. In dieser Zeit schrieb sie fünf Gedichte, die Wagner kurzerhand als Wesendonck-Lieder vertonte. Seine Melodien zum letzten Gedicht Träume dienten ihm außerdem als Vorlage für das Liebesduett O sink’ hernieder, Nacht der Liebe aus seiner Oper „Tristan und Isolde“.
Ebenfalls inspiriert von den Wesendonck-Liedern hat der französisch-israelische Tänzer und Choreograf Emanuel Gat das Stück „Träume“ für 14 Tänzerinnen und Tänzer gestaltet, das bei den Salzburger Osterfestspielen seine Uraufführung feiert. Erstmals steht zeitgenössischer Tanz auf dem Programm des Festivals. „Das freut mich wirklich sehr“, sagt Gat. „So haben wir die Möglichkeit, uns neuem Publikum in einem neuen Kontext zu nähern.“ Der Choreograf arbeitet in seinen Werken viel mit klassischer Musik von Schubert, Strawinsky oder Bach. Zum ersten Mal aber widmet er sich dem in Israel noch immer umstrittenen Komponisten Wagner, dessen Musik er als „intensiv“ beschreibt. „Sie ist einerseits sehr musikalisch, andererseits sehr narrativ.“
In „Träume“ lässt Emanuel Gat zunächst den Komponisten sprechen
Im ersten Akt von „Träume“ stellt Emanuel Gat daher den sehr zarten und lieblichen Gedichten Mathilde Wesendoncks Ausschnitte aus Wagners Essay „Die Kunst und die Revolution“ gegenüber und schafft so „eine Art textliche Dialogpartitur der Geschlechter“. Der zweite Akt entfaltet sich zu den Klängen der Wesendonck-Lieder. „Wagner ist eine so komplexe Figur. ,Träume‘ setzt sich choreografisch mit seinen verschiedenen Facetten auseinander“, erklärt Gat und ergänzt: „Ich finde es sehr spannend, zunächst den Komponisten sprechen zu lassen, bevor man sich ganz seiner Musik hingibt.“
1969 in Chadera geboren, wollte Emanuel Gat zunächst Dirigent werden. In einem Workshop entdeckte er dann seine Leidenschaft für den Tanz. „Musik besteht aus Klängen, die in Zeit und Raum organisiert sind, und bei Tanz sind es Bewegungen. Ich habe also nicht das Gefühl, der Musik den Rücken gekehrt zu haben. Vielmehr habe ich einen Weg gefunden, meine Ideen und mich selbst auf eine Art und Weise auszudrücken, die für mich besser geeignet ist.“