Keltisches Kulturland, in dem die Zeit stehen geblieben ist; verwunschene Dörfer, in denen die Türen offen stehen und ein Fremder mit freundlicher Neugierde begrüßt wird; romanische Kirchen, die noch dem kleinsten Nest die Würde der Geschichte verleihen und dem Besucher Momente der hoch konzentrierten Einkehr schenken – das grüne Land der Périgord in Frankreichs stillem Südwesten bietet das ideale Ambiente für ein Festival, das den Meistern des Barock huldigt und deren Musik an Orten zum Klingen bringt, die dem Kunstgenuss so ganz anders dienen als die Konzertsäle der Großstädte: Inseln des Sich-Einlassens im Meer der zivilisatorischen Beschleunigung.
Kein geringerer als Ton Koopman hat sich von dieser herrlichen Urlaubsregion inspirieren lassen, als er sich hier vor 15 Jahren ein Sommerdomizil einrichtete. Schnell wurde dem umtriebigen, vor Energie, Musik- und Menschenliebe sprühendem Cembalisten und Dirigenten der Alten Musik deutlich, dass seine Sommerfrische nicht der bloßen Erholung dienen konnte. Bei einem Abendessen mit dem französischen Psychiater Robert-Nicolas Huet, der sowohl in der Dordogne als auch in Paris praktiziert, schmiedete er den Plan für ein Barockfest der ganz eigenen Art: den Itinéraire Baroque.
Musikalischer Slalom mit Getrüffeltem und Foie Gras
Gleich einem Pilgerweg entlang der vielen romanischen Kirchen der Region wollte der Niederländer an einem Samstag im Juli die Menschen der Region zu sechs Kurzkonzerten einladen: Diese dauern gerade einmal eine halbe Stunde und reagieren musikalisch auf die Atmosphäre des jeweiligen Gotteshauses. Auch eines der herrlichen Châteaus wird stets in den Pilgerweg integriert und so zum Ort eines musikalischen Salons mit einem entzückend abwechslungsreichen halben Stündlein der Tafelmusik. Zwischen den Konzerten ist mit jeweils 45 Minuten ausreichend Zeit, die Spielstätte zu wechseln: Kaum mehr als sechs Kilometer liegen die Locations auseinander und können per Automobil oder Veloziped leicht bewältigt werden. Auch ein Blick in all die hübschen Dörfchen ist zwischendurch noch möglich – mithin das Eintauchen in eine dem Stadtmenschen ferne Welt, aus der an Festivaltagen auch die tierischen Einwohner (wie es scheint) verwundert auf all den seltenen Verkehr blicken.
Zudem hat die musikalische Belebung einen relevanten Nebeneffekt: Denn viele der romanischen Kleinodien waren zuletzt dem Verfall preisgegeben, oft muss ein Pfarrer mehr als 30 Gotteshäuser mit nur mehr sporadischen Messen versorgen. Ton Koopman sorgt nun für das Erwachen eines Bewusstseins für die Schätze, die hier schlummern – mittlerweile reagieren Lokal- und Regionalpolitik und treiben Gelder für die Sanierung der Kirchen auf.
So ist es denn auch nicht lange beim nur eintägigen „Itinéraire“ geblieben. Koopman und Huet, die das Festival bis heute gemeinsam verantworten, schalteten dem Samstag einen Freitagabend voran, der im Zeichen der Begegnung steht: Austausch zwischen Künstlern und Publikum, Gesprächsrunden zu Interpretationsfragen wie zur Architektur ergänzen den Konzertmarathon des zweiten Tages. Und noch eine Kernkompetenz der Region kommt hier ins Spiel: die Kulinarik. Gebratenes und Getrüffeltes, dazu Foie Gras und natürlich die Spitzenweine der Region an sehr langen Tafeln und unter schattenspendenden Zelten laden zum lockeren Festival-Plausch ein – und Koopman selbst sowie die Musiker seines Amsterdam Baroque Orchestra sitzen stets mittendrin.
Die Festivaldaten im Überblick:
Zeitraum: 28.–31.7.2016
Künstler: Amsterdam Baroque Orchestra, Hana Blazikovà, Ton Koopman, Accademia Strumentale Italiana, Camerata Trajectina, La Cetra BarockConsort u. a.
Ort: Périgord Vert
Was es im Bereich Festival zu entdecken gibt, stellen wir Ihnen in unserem Festivalguide vor.