Es ist eine Schande, wie München mit seinem vielleicht größten Musiker umgeht. 1557 kam Orlando di Lasso nach München an den Hof der Herzöge Albrecht V. und dessen Sohn Wilhelm V. Er blieb der Stadt fast vierzig Jahre treu, schuf hier zahlreiche Meisterwerke der Vokalpolyfonie und holte andere bedeutende Musiker in die Stadt, darunter Johannes de Fossa und die Gebrüder Gabrieli. Er machte München zu einer Musikstadt von europäischem Rang. Und wie dankt es ihm die Stadt?
1849, mehr als 250 Jahre nach seinem Tod, erhielt er zwar ein Denkmal am Odeonsplatz, neben dem Kollegen Gluck. Doch die beiden Statuen waren Ludwig I. ein Dorn im Auge: Er wollte sich dort mit einem Reiterdenkmal verewigen und keinesfalls zwischen zwei Musikanten stehen. Gluck und di Lasso wanderten auf den Promenadeplatz. Im Zweiten Weltkrieg wurden die Denkmaler zerstört. Zu den 800-Jahr-Feierlichkeiten der Stadt München 1958 wurden sie rekonstruiert. Seit 2009 aber ist es endgültig vorbei. Denn Michael-Jackson-Fans haben den Sockel von di Lassos Denkmal mit glitzernder Kitschdeko verschandelt, sodass auch bei „Google Maps“ die Statue nur noch unter dem Namen „Michael-Jackson-Denkmal“ zu finden ist. Und die Stadt München schaut untätig zu.
Orlando di Lasso beim Festival für Alte Musik
Mehr noch: Der „King of Renaissance-Musik“, der 1594 in München starb, hat auch kein richtiges Grab. Di Lasso liebäugelte mit der Reformation, weshalb er auf einem katholischen Friedhof nicht begraben werden durfte. Seine letzte Ruhe fand er auf dem Friedhof des Franziskaner-Klosters, das allerdings 1802 zerstört wurde. Heute befindet sich dort die Tiefgarage des Nationaltheaters, in unmittelbarer Nähe zur Residenz. Hier findet das Festival für Alte Musik statt, auf dem nun in zwei Wandelkonzerten Madrigale von di Lasso erklingen werden. Unter anderem im Antiquarium, dem prächtigen Renaissancesaal der Münchner Residenz.
Es ist ein großes Verdienst, dass das Festival seit 2003 stattfindet, denn die Schlösser- und Seenverwaltung hat es den Veranstaltern nie leicht gemacht. Staatliche Subventionen blieben auch aus. Dennoch wird man im Kaisersaal unter anderem auch Heinrich Ignaz Franz Bibers majestätische „Missa Alleluja“ zur Aufführung bringen.