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Rosendal Chamber Music Festival 2020

Katharsis auf Norwegisch

Fernab vom Alltagsballast der Zivilisation ist das Rosendal Chamber Music Festival ein musikalisches Arkadien im Süden Norwegens.

vonPeter Krause,

Leider erreichte uns kurz nach der Veröffentlichtung des Artikels die Nachricht, dass das Rosendal Chamber Music Festival 2020 aufgrund der Corona-Pandemie abgesagt wurde.

Mal eben für ein Konzert vorbeischauen? Das geht hier gar nicht, und das würden weder die Künstler noch das Publikum wagen. Wer nach Rosendal kommt, reist eigens an und bleibt dann meist auch für alle vier Festivaltage. Doch ist hier der Weg in besonderer Weise bereits das Ziel. Nur gut neunzig Minuten dauert zwar die Fahrt auf dem fixen Katamaran von der norwegischen Hansestadt Bergen aus. Doch das Naturschauspiel auf dem Weg ist so spektakulär, dass es noch Monate später im Gedächtnis haftet: Es führt durch Fjorde, vorbei an Fischfarmen, an Insel­chen und an Datschas in verwunschenen Buchten.

Und es setzt sich fort, wenn man am kleinen Hafen von Rosendal anlegt. Das Dorf, das im namensgebenden Rosental liegt, atmet die Magie einer nordischen Schweiz. See und Berge küssen sich. Schafe grasen im duftigen Grün, das hier noch den Odem des Arkadischen verströmt. Wer hochsteigt ins Gebirge zu einem der Wasserfälle, die die sonst so liebliche Landschaft wild durchrauschen, der bekommt gratis die Ohren geputzt, kann die Seele baumeln lassen und wird auf ideale Weise auf das eingestimmt, was einen da unten in Scheune, romanischer Kirche und Herrenhaus von Gut Rosendal an musikalisch Groß­artigem erwartet.

Doch plötzlich dringt Licht durch das Wolkenmeer …

In der kommenden Ausgabe rückt Leif Ove Andsnes das Werk Ludwig van Beethovens ins Zentrum, während der Festivalchef im vergangenen Jahr das Programm Dmitri Schostakowitsch und seinem kompositorischen Umfeld widmete. Und kaum eine andere Musik passt so perfekt hierher. Denn das Wetter schlägt hier so rasant um wie die Aggregatzustände der Affekte in den Werken des Sowjetmeisters. Da hängen die Wolken und der Nebelvorhang, hinter dem die Berge sich geheimnisvoll verstecken, erst ganz tief im Tal – gleichsam eine norwegische Caspar David Friedrich-Stimmung. Im düsteren ersten Sonaten­satz weint der Himmel. Doch plötzlich dringt Licht durch das Wolkenmeer – Apotheose und Aufbruch in der Natur spiegeln die musikalischen Dur-Durchbrüche.

Die ehemalige Scheune des Guts Rosendal dient heute als Konzertsaal
Die ehemalige Scheune des Guts Rosendal dient heute als Konzertsaal

In der Pause beim Lustwandeln durch die Eichen- und Kastanien­alleen des Anwesens sieht man lauter glückliche Gesichter unter den zuvor wie gebannt Lauschenden: So froh kann traurige Musik machen. Die alten Griechen nannten es Katharsis, Reinigung also. Hier in Norwegen auf dem Lande kann man die Effekte dieser Reinigung erleben, kann in einer Festivalgemeinschaft starke Erfahrungen machen – Kammermusik frisch und vertiefend, gefühlsmäßig und intellektuell zugleich tiefgehend erspüren.

concerti-Tipp:

Rosendal Chamber Music Festival 2020 – LvB 2020
6.–9.8.2020
Mit: Leif Ove Andsnes, Christiane Karg, Vikingur Ólafsson, Kristian Bezuidenhout, Quatuor Ébène, Alina Ibragimova u. a.

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