Manch bravem Christen vergangener Jahrhunderte wurde wohl mulmig zumute, wenn er zufällig Zeuge traditioneller Gesänge in den Synagogen wurde. Der Wirrwarr an Stimmen und Melodien mit jeweils eigenem Tempo und Rhythmus hatte nichts gemein mit den Chorälen in christlichen Gotteshäusern. Schreie und Schluchzen ertönten im Rahmen der synagogalen Liturgie, in der die schonungslose Hingabe zu Gott in Form eines persönlichen Dialogs zelebriert wurde. Diese improvisatorische Freiheit wurde im Zuge der Reformbewegung im 19. Jahrhundert zunehmend in geordnete Bahnen gelenkt. Komponisten jüdischer Sakralmusik und Kantoren wie Samuel Naumbourg, Salomon Sulzer oder Louis Lewandowski trieben die Liberalisierung des synagogalen Gottesdienstes voran, führten das Instrumental- und vor allem das begleitende Orgelspiel in die Liturgie ein, das eine disziplinierende Wirkung auf die singende Gemeinde ausüben sollte.
An letztgenannten Erneuerer der jüdischen Liturgie erinnert das Louis Lewandowski Festival, das in diesem Jahr Musik orientalischer Juden zu Gehör bringt, die von der Kultur ihrer arabischen Herkunftsländer im Nahen Osten und Nordafrika geprägt ist. Mit von der Partie sind das Atanu Ensemble mit seinen sieben Instrumentalisten und vier Sängern, das neu gegründete Frauentrio Yamma Teiman Ensemble und die Chorsänger des Synagogal Ensemble Berlin.