„Dance breaking free“ – wie ein Befreiungsschlag klingt das Motto der Tanzbiennale Heidelberg 2023. Kein Wunder, die fünfte Ausgabe des Festivals ist die erste nach der Pandemie, und sie zeigt Tanz, der ausbricht: aus Konventionen, etablierten Denkmustern und individueller Beschränkung. Das zehntägige Tanztreffen schafft den Spagat zwischen internationalen Gastspielen und einer Würdigung der lokalen Tanzszene Baden-Württembergs. Dies ist möglich durch die Kooperation zwischen dem Theater und Orchester Heidelberg und dem UnterwegsTheater, eine in Deutschland einmalige Zusammenarbeit zwischen Stadttheater und freier Szene – gemeinschaftlich kuratiert von Iván Pérez, dem künstlerischen Leiter des Dance Theatre Heidelberg, sowie von Bernhard Fauser und Jai Gonzales vom UnterwegsTheater.
Im Mittelpunkt steht die stilistische Vielfalt zeitgenössischer Choreografien. Werke, die für dieses Festival kreiert wurden, stehen neben deutschen Erstaufführungen und Meilensteinen des modernen Tanzes. Zu letztgenannter Kategorie gehört Maguy Marins „May B“, eine getanzte Interpretation der Charaktere aus Samuel Becketts „Endspiel“, zugleich eine beklemmende Dystopie, die der französischen Choreografin Anfang der achtziger Jahre über Nacht internationale Anerkennung brachte. Ebenfalls zu den großen Namen zählt Meg Stuart mit ihrer Company Damaged Goods, die mit „Violet“ ein Stück aus dem Jahr 2011 zeigt, dessen Titel euphemistisch nach einer hübschen Farbe klingt, tatsächlich jedoch mit dem englischen „violate“, zu tun hat: verletzen. Oona Doherty, Shooting-Star aus Belfast, ist mit zwei Werken vertreten: „Navy Blue“ zu Sergej Rachmaninows zweitem Klavierkonzert und „Hope Hunt and the Ascension into Lazarus“, das männliche Anmach-Gesten witzig bloßstellt. Dana Caspersen, ehemals Tänzerin in William Forsythes Company, hat sich als Mediatorin einen Namen gemacht, die Konfliktlösungsprozesse choreografiert. Mit dem MDKollektiv präsentiert sie „The Exchange“.
Ausgelassen und selbstironisch werfen Tänzerinnen und Tänzer mit und ohne Behinderung in „Harmonia“ herkömmliche Vorstellungen vom Körper über Bord: Die ungarische Choreografin Adrienn Hód schuf mit der Company „Unusual Symptoms“ ein Stück, das die vermeintliche Fortschrittlichkeit des zeitgenössischen Tanzes hinterfragt. Die Gala am letzten Abend des Festivals bietet einen Querschnitt zum Tanz made in Baden-Württemberg. Angebote für junges Publikum ab sechs Jahren fehlen ebenso wenig wie ein attraktives Rahmenprogramm, bestehend aus Filmvorführungen, Workshops, Podiumsdiskussionen und Partys.
concerti-Tipp:
Tanzbiennale Heidelberg 2023
27.1.–5.2.2023
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