Beim bayerischen Tutzing kam der Norddeutsche Johannes Brahms ins Schwärmen: „Tutzing ist weit schöner, als wir uns neulich vorstellen konnten“, schrieb er euphorisch 1873 an den Dirigenten Hermann Levi. „Eben hatten wir ein prachtvolles Gewitter; der See war fast schwarz, an den Ufern herrlich grün, für gewöhnlich ist er blau, doch schöner, tiefblauer als der Himmel, dazu die Kette schneebedeckter Berge – man sieht sich nicht satt.“ 25 Gulden kosteten ihn das „Zimmer und ein Kabinett im ersten Stock“; sechs Gulden das Klavier. Kostenlos war die Aufmerksamkeit seitens der vielen englischen Damen in der Pension – wie das eben manchmal bei alternden Junggesellen ist. Auch wenn aus der geplanten Oper nichts wurde, so verbrachte Brahms in Tutzing doch einen erstaunlich produktiven Sommer mit der Komposition von „drei Werken“, wie auf dem massiven Gedenkstein an der Tutzinger Brahmspromenade vermerkt ist (die Streichquartette op. 51, die Haydn-Variationen op. 56, und die Lieder und Gesänge op. 59).
Überhaupt schien Tutzing seinerzeit Künstler magisch anzuziehen. Allen voran das Sänger-Ehepaar Therese und Heinrich Vogl, beide berühmte Wagner-Interpreten an der Münchner Oper. Mit Brahms übten sie im Pavillon dessen neue Lieder, und sogar König Ludwig II. soll sie vom Boot aus gegrüßt haben. Auch wenn dies über 150 Jahre her ist: In Tutzing vergaß man Brahms nicht, allen voran, die Pianistin Elly Ney, die ebenfalls eine Tutzingerin war. Zum 100. Todestag des Komponisten 1997 fanden die ersten Tutzinger Brahmstage statt unter der Leitung von Christian Lange, der im letzten Jahr verstarb. „Es wird uns ein Herzensanliegen sein, diese 25. Tutzinger Brahmstage ganz in seinem Sinne und in besonderer Würdigung an sein Engagement als Musikalischer Leiter dieses Festivals durchführen zu lassen“, sagen heute die Veranstalter. Im Zentrum stehen Brahms und Antonín Dvořák. „Der Kerl hat mehr Ideen als wir alle! Aus seinen Abfällen könnte sich jeder andere die Hauptthemen zusammenklauben“, hatte Brahms begeistert ausgerufen, als er die Noten des damals unbekannten Tschechen erstmals in Händen hielt. Und ihn nach Kräften gefördert. Alle vier Brahms-Sinfonien und die Dvořák-Sinfonien Nummern 6–9 werden erklingen. Man wird sich nicht satthören.