Glücklich dieses Deutschland, das über eine solche Musiktradition verfügt! Ganz Deutschland? Nun, da gibt es dann doch regionale Unterschiede – und manch einer gerade im Süden und Südwesten der Republik horcht erstaunt auf angesichts der Tatsache, dass rund die Hälfte aller Musikermuseen in Mitteldeutschland zu finden sind. Ja, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen bilden die Schwerpunkte in der Topographie der Klassik hierzulande. Wer jetzt sogleich an Johann Sebastian Bach denkt, liegt natürlich richtig, schließlich lebte und wirkte der bedeutendste aller deutschen Komponisten fast sein gesamtes Leben zwischen Eisenach und Leipzig.
Europäische Brückenschläge und Bach‘sche Jubiläen
Und doch war es natürlich nicht allein dieser alles überragende Barock-Meister, der die musikalische Welt seiner Zeit prägte, sondern auch Bach war eingebunden in ein „Netzwerk“ verschiedener Komponisten, die die verschiedenen europäischen Nationalstile verbanden. Von daher steht bei den Thüringer Bachwochen der Namensgeber zwar im Mittelpunkt der Programme, doch Künstler wie das Duo Bell’Arte Salzburg, Clavichord-Fachmann Bernhard Klapprott oder Blockflötist Maurice Steger schlagen in ihren diesjährigen Konzerten konsequenterweise auch immer wieder die historische Brücke zu den Werken eines Heinrich Ignaz Franz Biber, Georg Anton Benda oder Georg Philipp Telemann.
Indes: Nomen est omen – natürlich geht auch 2014 bei dem Festival nichts ohne Bezug zum Namensgeber. Zumal, wenn der Vater mit dem Sohne… jährt sich doch heuer nicht allein die Ernennung von Johann Sebastian Bach zum Konzertmeister am Weimarer Hof zum dreihundertsten Mal, sondern auch der Geburtstag seines zweiten Filius Carl Philipp Emanuel.
Immer Ärger mit diesem Bach
Grund genug, sich im Rahmen der Thüringer Bachwochen einmal auf die Spuren der weitverzweigten Musikerfamilie Bach zu begeben, die allein in Arnstadt fast zwei Jahrhunderte lang lebte. Was dem kleinen thüringischen Örtchen den Titel Bachstadt brachte – auch wenn ihr berühmtester Sohn an seinem ersten Arbeitsort eher unangenehm auffiel: Ständige Querelen mit dem Kirchenkomitee, Urlaub nach Lust und Laune, Frauen auf der Orgelempore und Musik, die der Gemeinde so gar nicht passte – kein Wunder, dass da sein dortiges Denkmal einen lümmelnden Twen zeigt und keinen würdevollen Musiker.
Was den Konzerten in Arnstadt natürlich nicht von Nachteil ist, bietet sich doch hier wie andernorts die Gelegenheit, Bachs Werke am Ort ihrer Entstehung zu musizieren: so etwa Sinfonien und Solokantaten mit obligater Orgel, die Countertenor Alex Potter und das Barockorchester Capriccio Basel in der dortigen Bachkirche aufführen. Frisch renoviert präsentiert sich die Taufkirche des Meisters, St. Georgen in Eisenach, die am Ostersonntag nicht allein mit einem Festgottesdienst wiedereröffnet wird, sondern auch mit einem Festkonzert: Das Ensemble Amarcord und die Lautten Compagney nehmen sich Bachs Motetten an. Und auch sonst geizt das größte Musikfestivals Thüringens nicht mit prominenten Namen: Ob die Geiger Daniel Hope und Dmitry Sitkovetsky, Klavier-Shootingstar Kit Armstrong und sein gestandener Kollege Martin Stadtfeld, Cellist Pieter Wispelwey oder auch die Weltmeister des Breakdance, die Flying Steps mit ihrem Programm „Red Bull Flying Bach“ – intensiver und vielfältiger als in diesen 38 Konzerten lässt sich der Komponist kaum erleben. Zumal 2014 auch das alljährlich an wechselnden Orten stattfindende Bachfest nach einem halben Jahrhundert wieder in Weimar stattfindet und sich mit 34 weiteren Veranstaltungen unmittelbar an die Bachwochen anschließt. Ja, was wäre das Musikland Thüringen nur ohne seinen Johann Sebastian Bach – da ist auch längst vergeben und vergessen, dass ihn Herzog Wilhelm Ernst von Sachsen-Weimar im Streit um dessen Wechsel nach Köthen dereinst für einen Monat in den Kerker werfen ließ…
Die Festivaldaten im Überblick:
Zeitraum: 11.4. – 4.5.2014
Ort: Eisenach, Weimar, Erfurt, Jena u.a.
Künstler: Minguet Quartett, Maurice Steger, Daniel Hope, London Brass, Kit Armstrong, Martin Stadtfeld u.a.
Was es im Bereich Festival außerhalb von Magdeburg zu entdecken gibt, stellen wir Ihnen in unserem Festivalguide vor.