Die Pianistin Elena Bashkirova ist wohl das, was man sich unter einer musikalischen Weltbürgerin vorstellt. 1958 in Moskau geboren, studierte sie am Tschaikowsky-Konservatorium, wo sie auch ihren ersten Mann kennenlernte, den Geiger Gidon Kremer. Nur wenige Monate nach Abschluss ihres Studiums kehrte das Paar der UDSSR den Rücken zu und ging nach Paris. „Das war natürlich ein Skandal, ich hatte nicht darüber nachgedacht, wie problematisch das für meine Verwandten werden konnte, wenn man einfach im Westen blieb“, erinnert sie sich. Auf die französische Metropole folgte schließlich Berlin, 1988 heiratete Bashkirova Daniel Barenboim.
Nun sitzt sie in einer hinter hohen Hecken versteckten, äußerst kunstvoll eingerichteten Villa in Berlin-Dahlem und erzählt bei Kaffee und italienischem Gebäck von ihrem vielleicht wichtigstem Projekt, dem Jerusalem Chamber Music Festival. Zu dem kam sie vor 15 Jahren in etwa so wie die Jungfrau zum Kinde.
„Ich war 1996 in Jerusalem bei einem Konzert, das in Verbindung mit einem großen Festakt stattfand, es waren sehr viele internationale Musiker angereist. In der Pause sprachen mich dann ganz spontan mehrere israelische Journalisten an, sie klagten darüber, dass das kulturelle Leben Jerusalems aussterbe und fragten, ob ich nicht zufällig ein Festival organisieren könnte. – Aber warum ich?“, habe sie da entgegnet. „Ich lebe hier nicht, ich habe zu der Stadt keine enge Verbindung.“ Andererseits gefiel ihr der Gedanke, nicht zuletzt aufgrund der positiven Erfahrungen mit jenem Festival, das Gidon Kremer zu Beginn der 80er Jahre im österreichischen Lockenhaus ins Leben gerufen hatte.
Als die Pause vorüber war, musizierten auf der Bühne Mischa Maisky und Yefim Bronfman, „ich kannte die beiden damals schon sehr gut, ich habe sie gleich nach ihrem Auftritt gefragt, was sie von der Idee eines Kammermusik-Festivals in Jerusalem halten würden. Und sie waren von der Idee begeistert.“ Bashkirova konnte schließlich eine ganze Reihe von Musiker-Kollegen überzeugen, genügend um 1998 das erste Festival in Jerusalem zu organisieren.
Die Atmosphäre in der israelischen Hauptstadt sei damals bedrückend gewesen. „Es gibt so viel Hass zwischen den verschiedenen Religionsgemeinschaften, die staatlichen Organisationen sind sehr präsent, viele interessante Leute haben die Stadt verlassen, sind nach Tel Aviv gegangen oder nach Europa ausgewandert, die Stadt hatte ihre intellektuelle Bedeutung verloren.“
Die Musiker merkten, dass sie hier für ein Publikum spielen, das nach Kultur geradezu dürstet. „Für die Menschen in Jerusalem waren wir eine Oase, ein Tropfen Wasser in der Wüste.“ Dass das Festival eine Fortsetzung finden würde, stand also außer Frage, und so folgen nun jedes Jahr im September Musiker aus aller Welt Bashkirovas Ruf nach Jerusalem, verzichten dabei sogar freiwillig auf ihre Gage.
Den Geist aus der Heiligen Stadt will Bashkirova nun auch nach Berlin bringen, unter dem Titel „intonations“ wird an sechs Tagen im April im Glashof des Jüdischen Museums Kammermusik geboten. Das Programm ist reichhaltig mit Quintetten u.a. von Mozart, Brahms, Schumann und Schostakowitsch, Prokofjews Ouvertüre über hebräische Themen, einem Auftragswerk und in jedem Konzert einer Komposition von Arnold Schönberg.
Eindrucksvoll ist auch die Interpretenliste, nicht nur, dass Bashkirovas Mann am Flügel und ihr Sohn Michael Barenboim an der Geige zu hören sein werden. Auch Künstler wie Emmanuel Pahud, Carolin Widman, Ramón Ortega Quero und Guy Braunstein haben zugesagt, ebenso Hélène Grimaud. Zu ihr hat Bashkirova ein ganz besonderes Verhältnis: „Wir kennen uns schon sehr lange, als wir in Paris waren und mein erster Sohn geboren wurde, kam Hélène manchmal zum Babysitten bei uns vorbei.“
Elena Bashkirova hofft, dass „der kleine Festival-Bruder“ in Zukunft regelmäßig in Berlin stattfinden kann. „Es gibt hier natürlich ein großes Kulturangebot und viele Konzertreihen – ein Festival für Kammermusik gibt es in Berlin allerdings noch nicht.“