Das zeitgenössische Musiktheater wurde in den letzten Jahrzehnten zu einer stabilen Nische von Subventionstheatern und freien Ensembles. Dieses Neue Musiktheater stellt Fragen oft mit spektakulären Schauinhalten. Oder es provoziert durch verstörende Assoziationen. Michael Höppner, konzeptioneller Mitarbeiter der Operndirektorin Andrea Moses am Deutschen Nationaltheater Weimar, begeistert sich seit Jahren für alle Varianten dieses Genres: „Jenseits von Oper, Operette und Musical spielt es mit anderen Erzähl- und Darstellungsformen, verwendet andere Medien, Spiel- und Gesangstechniken, setzt andere Instrumente ein, besiedelt andere Räume und entfaltet andere Beziehungen zwischen Aufführenden und Publikum.“
Jedes Jahr bespielt das Kunstfest Weimar in der Klassikerstadt vergessene, pittoreske und aufregende Orte. Jetzt wird auch „Passion :SPIEL“ das Neue Musiktheater in einer ersten Runde vom 10. bis zum 19. März 2022 und in den Folgejahren an der Schwelle von Winter und Frühling als „Paralleluniversum von besonderen Stücken, Experimenten und Aufführungen“ fokussieren. Auch Kooperationen mit der Hochschule für Musik Franz Liszt Weimar und der Hochschule für Musik und Theater „Felix Mendelssohn Bartholdy“ Leipzig sollen „zeitgenössisches Musiktheater und die Institution Oper wieder stärker miteinander in Verbindung bringen“.
Parcourstechniken treffen auf Neues Musiktheater
Das E-Werk Weimar, Schauplatz von „Passion :SPIEL“, ist ein regionaler Hotspot zum Beispiel für die knallbunte Sommeroper des DNT und für Gastspiele. Im e-werk gelangen mit „The Lighthouse“ und „Eight Songs For a Mad King“ von Peter Maxwell Davies sowie „Europera 5“ von John Cage drei Klassiker der Kammeroper des späten 20. Jahrhunderts zur Aufführung. Brigitta Muntendorf und Michael Höppner transformieren im Schießhaus Weimar und in der Ehringsdorfer Brauerei erprobte Parcourstechniken in das Neue Musiktheater. Zu ihrer Installation „Memorial of Rebellion“ erhalten alle fünfzehn Minuten jeweils nur zwei Personen Zutritt. Avantgarde und Belcanto vereinen sich bei Andrea Moses’ Auseinandersetzung mit Luciano Berios „Recital for Cathy“ und der Musiktheaterséance nach Bellinis „Norma“ von Katharina Müllner und Julia Lwowski. In einem Gastspiel des Opera Lab Berlin mit der szenisch-choreografischen Interpretation von Karlheinz Stockhausens „Stimmung“ holt Michael Höppner einen weiteren Klassiker der Neuen Musik zu diesem spannenden Festival.