Nichts ist so beständig wie wirklich gute Kinderbücher. Die lustige Grille, ein tschechischer Klassiker aus den 1950er-Jahren, beschreibt ein vermeintlich faul dahinfiedelndes Insekt, das seiner Kunst frönt, während die fleißigen Ameisen ringsum die sommerliche Ernte einfahren. Im Winter klopft die Grille, verfroren und ohne eigenen Vorrat, an die Tür und bittet um Einlass – mit Erfolg. Weil ihr Geigenspiel die Ameisen während der Ernte erfreut hat, wird sie freundlich durchgefüttert.
Diese Parabel ist aktueller denn je: Künstler sehen sich in der realen Welt immer noch zu oft dem unterschwelligen Vorwurf ausgesetzt, ihren Beruf eher aus Spaß an der Freude denn zum Broterwerb auszuüben. Entsprechend leise ist ihre Stimme in der Pandemie. Oder ihre hilflos angestoßenen Debatten mit notgedrungen polemischen Hashtags stoßen auf Unverständnis.
Doch die ewig Optimistischen dürfen sich auf des Frühlings Erwachen freuen: Im 25. Jahr seines Bestehens lädt der „Heidelberger Frühling“ zum „re:start“ – und damit junge Künstler auf öffentliche Podien in der Stadt ein. Ob nun die offene Kirche vor Ort, der Marktplatz, die Sporthalle oder die private Wohnung: Das Programm erkundet Orte des Zusammenlebens und füllt sie mit Musik.
Eine fabelhafte Idee, die überdies für das Publikum kostenlos ist. Intendant Thorsten Schmidt, der ab dieser Saison von Igor Levit als neuem Co-Künstlerischen Leiter unterstützt wird, sieht es als „große Aufgabe“ an, „gerade auch an die zu denken, die den Weg nicht zu uns finden oder aus verschiedenen Gründen nicht die Möglichkeit haben, zu uns zu kommen“. Er leitet daraus die „Notwendigkeit einer Öffnung“ ab, um das vergleichsweise junge Festival „zu den Menschen zu bringen“.
Die Stadtgesellschaft als Ganzes erreichen
Mit diesem Programm möchte Schmidt dem Problem begegnen, dass die Eintrittspreise bei Festspielen für viele Musikliebhaber nicht leistbar sind. Denn die großen Stars der Klassik, die ebenfalls Teil der Festspiel-DNA sind und auch bleiben, haben natürlich ihren Preis. Und doch ist es gut möglich, dass die 25 ausgewählten Nachwuchsmusiker an den frei zugänglichen Orten mehr Menschen der „Stadtgesellschaft als Ganzes“ erreichen als die vielversprechende Prominenz, die in diesem Jahr wegen der Sanierung der Stadthalle als Hauptspielstätte auf andere Spielorte ausweichen. Dort gibt es viel Spektakuläres zu erleben wie ein achtstündiges Klaviersolowerk, aufgeteilt auf fünf Konzerte, und nicht weniger als sechs Uraufführungen.