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Wo Geist und Glamour kooperieren

Britten und Lutosławski: Im Wagner- und Verdi-Jahr setzt das Musikfest Berlin auf vernachlässigte Jubilare

vonChristoph Forsthoff,

Winnrich Hopp hätte es sich auch einfach machen können: Schließlich bieten die diesjährigen 200. Geburtstage von Giuseppe Verdi und Richard Wagner publikumsträchtige Aufhänger für jedes Festival. Doch der künstlerische Leiter des Musikfestes Berlin bleibt sich auch in seinem siebten Jahr in der Hauptstadt treu, Programme jenseits des Mainstreams und des Konzertalltags zu bieten – und hat sich lieber eines anderen Jubilars angenommen: Witold Lutosławski, der 2013 hundert Jahre alt geworden wäre. Und da Hopp sich selten mit einem geistreichen Gedanken allein begnügt, hat er den Blickwinkel gleich ausgedehnt auf bedeutende Komponisten des mitteleuropäischen Raums: „Aus Polen Witold Lutosławski, aus Ungarn Béla Bartók und aus Tschechien Leoš Janáček – Janáček und Bartók verband das Interesse an der Volksmusikforschung.“

Internationale Spitzenensembles an der Spree

Ein Interesse, das in der bloßen Theorie vielen potenziellen Zuhörern vermutlich reichlich trocken dünken würde; doch der 52-Jährige ist clever genug für sein Konzept nicht allein auf Geist, sondern auch auf Glamour zu setzen. Und so hat Hopp im Laufe der Jahre nicht allein die Orchester der Hauptstadt für die ausgefallenen Werkskombinationen gewinnen können, sondern lockt mit seinen dramaturgischen Konstellationen auch alljährlich immer wieder internationale Spitzen-Ensembles an. Was schon zur Eröffnung am 31. August eben nicht nur das Pittsburgh Symphony Orchestra unter Manfred Honeck samt Stargeigerin Anne-Sophie Mutter in die Philharmonie führt, sondern auch ein Programm, in dem sich Lutosl´awskis Dialog Chain II für Violine und Orchester neben Janáčeks Streicher-Suite findet. Oder die Berliner Philharmoniker unter Alan Gilbert mit Thomas Zehetmair Janáčeks selten gespieltesViolinkonzert-Fragment Wanderung einer kleinen Seele mit Lutosławski vierter Sinfonie und Bartóks Tanzspiel Der holzgeschnitzte Prinz kombinieren lässt. Und wer nun fragt, ob es denn wirklich nötig sei, solch kaum aufgeführten Werken ein Podium zu geben, für den verweist Hopp gern auf eine Antwort aus der Feder Theodor W. Adornos, der schon 1948 schrieb: „Die Legitimation solcher Musik am Rande liegt allemal darin, dass sie einen in sich stimmigen und selektiven technischen Kanon ausbildet.“

Ein Aushängeschild der Bundesrepublik

Dass sich das Musikfest Berlin solch ausgefallene Programme mit hochkarätigen Künstlern leisten kann, verdankt das Festival neben Hopp natürlich auch seinen Ursprüngen: Hervorgegangen aus den ehemaligen Festwochen, die allherbstlich die Klänge der großen weiten Welt in den eingemauerten Westteil der Stadt brachten, subventioniert der Bund bis heute dieses Festival – anders ließen sich angesichts des niedrigen hauptstädtischen Ticketpreisniveaus die hohen Gagen von Spitzenorchestern wie dem Concertgebouw, dem Londoner Philharmonia Orchestra oder eben dem Pittsburgh Symphony Orchestra nicht finanzieren.

Ausgefeilte Dramaturgie – hohe Nachfrage 

Gelder, die indes keineswegs einem kleinen Kreis abgehobener Musikfreunde zu Gute kommen, wie die Bilanzen vergangener Jahre zeigen: Rund 36.000 Besucher zählte man allein 2012, die Auslastung liegt seit Jahren bei 90 Prozent. Und so antwortet Pressesprecherin Patricia Hofmann entsprechend selbstbewusst auf die Frage, ob denn die drei Wochen bis zum 18. September mit ihren 24 Veranstaltungen in Philharmonie und Konzerthaus wirklich als Festival wahrgenommen würden: „Der Festival-Gedanke transportiert sich durch das Programm und seine disparate Dramaturgie.“ Die neben allen sechs Bartók-Streichquartetten, Janáčeks Glagolithischer Messe oder Lutosławskis Musique funebre 2013 auch noch einen Bogen zu Benjamin Britten schlägt: Natürlich nicht allein wegen dessen 100. Geburtstags in diesem Jahr – seine Musik wird präsentiert im Kontext der späten Sinfonien Schostakowitschs, waren die beiden doch gut befreundet. Vertiefungen eben – schließlich ist man auf dem Musikfest Berlin.

Die Festivaldaten im Überblick:

Zeitraum: 30.8. – 18.9.2013

Orte: Berlin

Künstler: Royal Concertgebouw Orchestra, Mariss Jansons, Philharmonia Orchestra, Emanuel Ax, Christian Tetzlaff, Thomas Hampson u.a.

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