Erst als das Licht in der Salle Garnier erloschen ist und die Besucher im monegassischen Opernhaus bereits die Künstler erwarten, huscht auch die Prinzessin in die Fürstenloge. Fast lautlos, nur kein Aufheben machen, schon gar nicht die Aufmerksamkeit des zu ihren Füßen im Parkett sitzenden Publikums auf sich ziehen – und nur wer beim Schlussapplaus rasch genug den Kopf nach oben wendet, vermag zumindest noch einen kurzen Blick auf Caroline von Hannover zu erhaschen, die auch schon wieder durch die Logentür entschwindet. Schlagzeilen sollen allein die Musiker des Printemps des Arts de Monte-Carlo machen: Wer die Schirmherrin dieses Frühlingsfestivals der Künste in Monaco erlebt, dem bietet sich auf einmal ein ganz anderes Bild der aus den Klatschspalten der Presse scheinbar wohlvertrauten Blaublüterin.
Uraufführungen statt Klassikern und Starrummel
Verfolgt diese doch tatsächlich das „Massacre du Printemps“ des Gemüseorchesters – zehn Künstler, die mit Küchengeräten ein rhythmisches Massaker an Karotten, Rettichen, Zwiebeln und Paprika verüben – ebenso mit Interesse wie den Streichquartett-Satz Janáčeks, den das Zemlinsky Quartet hier Tür an Tür zum berühmten Spielcasino anstimmt. Und wer sich mit den Machern des 1984 von „Ihrer Königlichen Hoheit“ initiierten Festivals unterhält, das alljährlich an bis zu fünf langen Wochenenden im März und April stattfindet, vernimmt allenthalben anerkennende Worte über die Kunstsinnigkeit der Prinzessin von Hannover. Was zwar mit Blick auf den Etat nicht weiter überrascht: Stammen doch 1,2 der 1,8 Millionen Euro, die Intendant Marc Monnet 2015 für die rund 50 Veranstaltungen von Konzerten über Meisterkurse bis Konferenzen zur Verfügung stehen, aus der Staatskasse. Und doch ist da eben auch diese Aufgeschlossenheit Carolines, die einst nicht nur selbst das Konservatorium besuchte, sondern sich bis heute für Literatur, Kunst und Musik im Fürstentum stark macht.
Und dabei insbesondere die Moderne im Blick hatte, als sie vor zwölf Jahren den Kagel-Schüler Monnet an die Côte d’Azur holte. „Ich halte nichts vom Starsystem“, gibt sich der Intendant entsprechend selbstbewusst, „im Vordergrund steht für mich die Auswahl der Werke.“ Wozu 2014 ein Skrjabin-Porträt ebenso gehörte wie dreiminütige Auftragskompositionen für Solo-Violine oder Werke von Stockhausen und Eötvös. Im kommenden Frühling konfrontiert der Intendant nun Uraufführungen des 1932 geborenen François Bayle mit Bach, stellt dem Jubilar Sibelius den zeitgenössischen Komponisten Franco Donatoni gegenüber. „Marc hat das Publikum hier wirklich erzogen, dessen Horizont geweitet und den Menschen gezeigt, dass auch die Moderne verträglich sein kann“, begeistert sich Pianist François-Frédéric Guy, der regelmäßig im Frühjahr in Monaco zu Gast ist.
… und nebenan das Casino: Ein Intendant setzt auf Risiko
Klingt gut, nur: Bislang sind es vor allem die Bewohner des Zwergstaats und aus der unmittelbaren Umgebung, die in die Konzerte kommen – Monnet indes möchte das Festival auch im internationalen Kalender verankern. Dass dafür die Attraktivität der (zeitgenössischen) Musik nicht genügt, dürfte auch ihm bewusst sein; doch zum Glück gibt es ja noch das Fürstentum, das auf Menschen in aller Welt eine magische Anziehungskraft ausübt. Angefangen vom Glanz der Grimaldi-Familie, deren Konterfeis dem Besucher überall in den Gassen und prachtvollen Hotels begegnen, über den legendären Formel-1-Kurs inmitten der Stadt bis hin zu den Schönen und Reichen dieser Welt, deren Luxus dem Besucher nicht nur im Hafen und Casino ungläubig dastehen lässt: Ein 30-Quadratmeter-Studio für 1800 Euro Miete, die Lasagne in der Strandbar steht für 17 Euro auf der Speisekarte, und vor dem berühmten Hôtel de Paris reiht sich Lamborghini an Maserati, Rolls Royce an Ferrari.
„Wer an Monaco denkt, denkt an Tennis, Grand Prix, Stars und das große Geld, aber nicht an einen Ort für die Kunst – das ist vielleicht die größte Herausforderung“, ist sich Jean-Charles Cureau bewusst. Und doch möchte der Festival-Generalsekretär gerade deshalb keine programmatischen Abstriche machen, sondern ist voll des Lobes über Monnet: Monte Carlo sei einer der wenigen Plätze auf der Welt, wo der Intendant Risiken eingehe – „und mir sind 300 begeisterte Besucher lieber als 1000 gelangweilte Zuhörer, die klatschen und nur was trinken wollen“. Voll sind die Säle trotz namhafter Künstler während des Festivals in der Tat eher selten. Doch eben dieser Kontrast zwischen der äußeren Pracht der Jachten und Cafés und der verstörenden Kraft der Musik macht auch den Reiz dieses „Frühlings der Künste“ aus. Oder mit den Worten der Prinzessin: Die Tradition zu lieben, bedeute eben nicht, in der Vergangenheit zu verharren, sondern das Feuer weiterzutragen. Gerade in Monte Carlo.
Die Festivaldaten im Überblick:
Zeitraum: 20.3. – 12.4. 2015
Ort: Monaco, Cap d’Ail, Nizza u. a.
Künstler: La Petite Bande, Finghin Collins, BBC Symphony Orchestra, Xavier Phillips, Camille Thomas u. a.
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