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Intendantin Cecilia Gasdia im Interview

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Arena di Verona Opera Festival

Das Arena di Verona Opera Festival ist ein jährlich stattfindendes Opernfestival in der Arena von Verona. Zu Ehren des 100. Geburtstags von Giuseppe Verdi fand es im Jahr 1913 erstmalig statt. Seit 1919 ist das Festival ein fester Anziehungspunkt für Opernfans weltweit.



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Als Sängerin kennen Sie die Bühne der Arena besonders gut. Welches sind Ihre frühesten Erinnerungen an diesen wunderbaren Ort?

Cecilia Gasdia: Die Arena ist für mich ein Kinderbett, eine Art Mamma, mit Sicherheit aber ein Zuhause. Hier sang ich oft als Solistin. Aber ich habe diese Bühne schon seit frühester Jugendzeit gekannt, erst als Statistin und dann, als ich im Konservatorium studierte, für drei Jahre als Künstlerin im Chor. Noch weiter zurückgehend weiß ich, dass mich meine Familie bereits als ein Kind von fünf Jahren mit auf die Steinstufen nahm. Wenn ich an die bewusster wahrgenommen Jahre zurückdenke, erinnere ich die besten Sänger ihrer Epoche, die alle nach Verona kamen, in grandiosen Inszenierungen. Hier liegen die grundlegenden Prinzipien, die mich für meine jetzige Intendanz inspiriert haben.

Ihnen als berühmter Sängerin die Rolle der Intendantin anzubieten erscheint als innovative Entscheidung. Erwarten die Verantwortlichen eine neue Perspektive für die künstlerische Entwicklung, also weniger eine politisch agierende Persönlichkeit?

Gasdia: Bürgermeister Sboarina hatte die Intuition, dass man in künstlerische Substanz investieren müsse, um eine ökonomische Verbesserung zu erzielen. So war ich sehr glücklich, das Angebot aufgrund der klaren gemeinsamen Ziele mit einem kompakten und determinierten Team anzunehmen, um der Arena di Verona das internationale Prestige zurückzugeben, das sie sich in über einem Jahrhundert erworben hatte. Für mich ist das Mandat einer Intendanz eng verbunden mit jenem der Künstlerischen Leitung: Verwaltung und Organisation sind für mich untrennbar vom künstlerischen Bereich, sie sind schließlich die Basis für die Realisierung des Endprodukts – und das ist eben die Opernaufführung.

Das Arena di Verona Opera Festival folgt einer starken Tradition. Doch Traditionen überleben nur durch Erneuerungen. Welche Räume der Innovation öffnen Sie?

Gasdia: Die Eröffnungspremiere des 99. Festivals im Jahr 2022 kann dafür ein Beispiel sein: Dank der Arbeit der Mitarbeiter von Franco Zeffirelli haben wir eine Carmen präsentiert, die traditionell ist, und dennoch unterscheidet sie sich von jenen, die er hier realisiert hatte. Wir haben eine Synthese all der Versionen gemacht, die der Maestro hier selbst verantwortet hatte – in einem Zeitraum von 27 Jahren. Dank der Technologien und Kompetenzen von heute haben wir jetzt aber einige Elemente in die Tat umgesetzt, die Zeffirelli nur entworfen hatte, die aber in seiner Zeit nicht realisierbar waren. Die Innovationen, wenn sie gut durchdacht sind, werden sein und sind bereits: In diesem Festival gibt es einen Nabucco von Arnaud Bernard, der aus einem mutigen Ansatz geboren wurde. Er überträgt — in effektiver, epischer und perfekt wahrnehmbarer Weise — eine biblisch inspirierte Handlung in den Kontext des 19. Jahrhunderts, in dem das Werk komponiert wurde: Italien im Risorgimento. Vergangenes Jahr haben wir sechs neue Inszenierungen produziert, die den Einsatz enormer Videowände mit Bühnenbildern verknüpft, die in unseren eigenen Werkstätten entstanden. Die Uhr der Fondazione Arena di Verona ist also nicht stehengeblieben. Und es gibt eine künstlerische Aktivität, die über das sommerliche Festival hinausgeht: Wir experimentieren mit einem weitergefassten Repertoire, mit neuen Regisseuren, mit jungen Interpreten, und es gibt das Teatro Filarmonico, wo wir für acht Monate im Jahr am Arbeiten sind. Hier handelt es sich um zwei sehr verschiedene Arten von Publikum, denen die verschiedene Verantwortung entspricht, die wir in der Ansprache an die Menschen haben.

Opernliebhaber scheinen mitunter in der Vergangenheit zu leben, schwärmen von Sängern aus früherer Zeit. Muss man diese Haltung ernst nehmen und dennoch nach vorne schauen?

Gasdia: Wir sind doch alle emotional mit den alten Schallplatten verbunden und mit einigen unsterblichen Interpreten, die uns einst den Zugang für die Leidenschaft zur Oper eröffnet haben… Zum Glück finden die Melomanen, die „Appassionati” und die Neugierigen das ihnen gut schmeckende Brot in der Arena – jeden Abend. Man kann, man muss nach vorne schauen: Deshalb suche ich stets nach jungen Künstlern, einige von ihnen werden in Wettbewerben ausgewählt. Ich bin selbst in Vorsingen involviert und reise viel in die Theater, wo diese Sprösslinge ihre ersten Schritte gehen. Diese Praxis ist womöglich die wichtigste: Die beste Möglichkeit, sich eine Vorstellung von einem Künstler zu machen, ist doch, ihn oder sie auf der Bühne zu erleben, wie Maestro Gavazzeni es gern sagte: „con i finimenti addosso”, also „mit angezogenem Sattelzeug”. Bis heute hat es einen Wert zu verstehen: Die besten unserer Künstler gehen auf dieser selben Bühne unter den großen Sternen auf und beginnen so, ich hoffe es zumindest, eine lange Karriere und bleiben dabei mit starken Gefühlen der Arena verbunden, die an sie glaubte.

Die großen Operntitel sind in der Arena ja quasi fixiert. Wahlmöglichkeiten gibt es bei den Besetzungen der Sänger und den Entscheidungen für Regieteams. Welche Standards setzen Sie da?

Gasdia: Große Künstler und große Spettacoli sind für mich identisch. Diese Identität ist für mich der Minimalanspruch der Arena di Verona. Glücklicherweise hat die Arena, selbst in ihren dunkelsten Jahren, nie ihre Identität verloren. Als ich meine Amtszeit der Direktion begann, beschloss man gerade zwei Jahre der kommissarischen Arbeit mit schweren Kürzungen. Die Werke des Festivals 2018 waren zwar beschlossen, aber nicht ein einziger Sänger engagiert. Wir fingen in einem Rekordtempo an, Besetzungen zusammenzustellen, was einer enormen Verfügbarkeit der Künstler bedurfte. Wir mussten so beginnen und eine Beziehung zum Publikum neu aufbauen, das dabei war, weniger in die Arena zu kommen.

Was muss der perfekte Regisseur für die Arena an Können mitbringen?

Gasdia: Zuallererst muss er die Oper kennen und lieben. Das heißt nicht, dass er pedantisch die Szenenvorgaben des Librettos reproduzieren müsste, aber es heißt zu wissen, wie man eine Geschichte in einer verständlichen Art erzählen kann, sowohl im Großen einer riesigen Chorszene wie im Kleinen einer solistischen Arie. Willkommen ist eine neue Idee, wenn sie stark, zugänglich und fesselnd ist, gut motiviert und gut realisiert. Und dann wäre da das Ideal, so einen „Wow-Effekt” zu haben: diesen Überraschungsmoment für das Auge, den all die 13.000 Zuschauer, die diese Oper womöglich zum ersten Mal in ihrem Leben sehen, für immer erinnern werden.

Was müssen die perfekten, ja gar idealen Sänger an Qualitäten mitbringen, um in der Arena zu begeistern?

Gasdia: Die schöne und große Stimme reicht nicht: Man muss mehr als alles andere einen Sinn für die „parola scenica” haben. Durch die korrekte Stimmtechnik bezwingt man zwar die Schwierigkeiten eines Parts und gewinnt das Vertrauen in die großen Räume. Aber zu wissen, was man da singt, es zu interpretieren, den Worten Leben einzuhauchen, das schafft erst eine wahrhaftige und glaubwürdige Figur und erobert selbst noch das Publikum auf den obersten entfernten Steinstufen.

Das Ideal einer „Oper für alle” scheint ein relevanter Aspekt der DNA der Arena zu sein. Birgt das Konzept auch Risiken, das Populäre mit dem Populistischen zu verwechseln?

Gasdia: Unsere Entscheidungen wollen populär, aber nie populistisch sein. Die Schöpfungen von Verdi, Rossini, Puccini bilden ein universelles Erbe, das es zu erhalten und zu teilen gilt mit allen möglichen uns zur Verfügung stehenden Mitteln. Diese letzten beiden Jahre müssen uns immer wieder daran erinnern, wie großartig und unersetzbar der Wert ist, diese Schätze aufzuführen und daran live Anteil nehmen zu dürfen in einem kollektiven Ritus – das ist ein hohes Gut, das wir riskiert haben zu verlieren.

Diesen Sommer haben quasi alle großen Sängerinnen und Sänger Ihre Einladung nach Verona angenommen. Welchen Abend dürfen wir auf keinen Fall verpassen?

Gasdia: Es wäre wirklich ungerecht, nur einen Abend hervorzuheben, gerade weil das Niveau der Interpreten, die sich in den verschiedenen Besetzungen abwechseln, stets so extrem hoch ist. Beginnen wir mit allen jenen, die in die Arena zurückkehren wie Grigolo, Oropesa, Enkhbat, Meli, Salsi, Alagna… Anna Netrebko gibt in der Arena zum ersten Mal ihre Aida, um dann als Prinzessin Turandot gemeinsam mit Eyvazov zurückzukehren in der märchenhaften Szenerie von Zeffirelli. Andere exzeptionelle Namen wie Elīna Garanča oder Ludovic Tézier debütieren in Verona, um noch gar nicht zu sprechen vom Debüt solcher Sterne der Met wie Angel Blue, J’Nai Bridges, Latonia Moore, Liudmyla Monastyrska, Freddie De Tommaso… In der Gala in szenischer Form am 25. August interpretiert Domingo seinen ersten Amonasro an der Seite von Siri, Sartori und eines anderen großen Neulings in der Arena, Ildar Abdrazakov. Mir mögen bitte alle die wunderbaren Künstler verzeihen, die ich hier nicht nenne: Es reicht, die Besetzungen auf www.arena.it zu studieren, um zu sehen, wie jeder Abend für uns die Bedeutung einer echten Premiere hat.

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