Ein Gleichgewicht zwischen ungewöhnlichem und bekanntem Repertoire zu finden, das verspricht seit 2005 das Internationale Festival der Kammermusik Classix Kempten. Sein Gründer Franz Tröger experimentierte im Allgäu bereits mit einer Ausgabe, in der nur Werke von Komponistinnen gespielt wurden, und scheute sich nicht, auch mal Kompositionen von Max Reger, Krzysztof Penderecki und Ermanno Wolf-Ferrari auf das Programm zu setzen. Diese Handschrift trägt auch die diesjährige Edition, die sich nicht an die starren Grenzen der so genannten E-Musik hält. Ihre klangliche Umsetzung kann Franz Tröger jedoch nicht mehr erleben: Er verstarb im Mai nach der Vorstellung des Programms.
Zeitgenössische Fugen und eine Uraufführung
Die 17. Ausgabe, die vom 24. September bis 2. Oktober unter dem Motto „Visionen“ mit sieben Konzerten im Kemptener Stadttheater stattfindet, spannt den Bogen von Wolfgang Amadeus Mozart, von dem an drei Abenden mindestens ein Werk erklingt, bis zu klassischen und groovigen Kompositionen etwa von Florian Willeitner. Der 1991 geborene Geiger bringt als Composer-in-Residence ein neues Streichquartett mit, das er mit dem Vision String Quartet im Eröffnungskonzert (24.9., 19 Uhr) uraufführen wird. Seit Kurzem ist Willeitner Primarius der Formation, die sich selbst auch als Band versteht. Gemeinsam spielen sie zudem Maurice Ravels einziges sowie Dmitri Schostakowitschs achtes Streichquartett, das seine Bekanntheit nicht zuletzt der initialen Tonfolge „D-Es-C-H“ verdankt. Als Teil des New Piano Trio (25.9., 19 Uhr) wiederum setzt sich Willeitner auf moderne Art mit den Gattungen Fugen und Klaviertrio auseinander und präsentiert eigene poppige Songs.
Violine, Mandoline und Violoncello einmal anders
Bei ihrer Veröffentlichung in den 1780er Jahren galten Mozarts Klavierquartette g-Moll und Es-Dur als zu schwierig, in der heutigen Zeit sind sie bei Publikum und Künstlern gleichermaßen beliebt. In Kempten wird sie der künstlerische Leiter des Festivals, Benjamin Schmid, gemeinsam mit Zen Hu, Johannes Erkes, Enrico Bronzi und Dejan Lazić (27.9., 19 Uhr) interpretieren. Letztgenannter steuert noch zwei eigene Mozart-Bearbeitungen bei. Im vergangenen Jahr wurde die Formation für ihre Einspielung dieses Programms mit einem Opus Klassik ausgezeichnet.
Dass sich Violine, Mandoline und Violoncello sogar für jazzige Improvisationen und harte Rock-Riffs eignen, zeigt das Duo BartolomeyBittmann (29.9., 19 Uhr). Seit zehn Jahren begeben sich Klemens Bittmann, der außer klassischer auch Jazzvioline studiert hat, und Matthias Bartolomey, Solocellist des Alte-Musik-Ensembles Concentus Musicus Wien, auf die Suche nach neuen Klangfarben. Ganz ohne Elektronik und Effektgeräte, dafür begleitet von einer Lichtshow, präsentieren sie eigene Stücke, die während der vergangenen Lockdowns entstanden sind.
Traditionelles von Brahms über Bottesini bis Rota
Bei aller Experimentierfreude haben die Veranstalter aber auch an die Liebhaber traditioneller Kammermusikabende gedacht: Am Festivalfreitag (30.9., 19 Uhr) erklingen Werke von Johannes Brahms, Maurice Ravel, Camille Saint-Saëns, César Frank und Nino Rota. Zu Benjamin Schmid gesellen sich unter anderem Klarinettist Matthias Schorn, der Soloflötist der Münchner Philharmoniker Michael Martin Kofler und Harfenistin Serafina Jaffé.
Mit 25 Jahren zählt der Wiener Kontrabassist Dominik Wagner bereits zu den gefragtesten Solisten und Kammermusikpartnern seines Fachs. Gemeinsam mit dem schwedischen Kammerorchester Musica Vitae unter Leitung von Benjamin Schmid (1.10., 19 Uhr) wird er Giovanni Bottesinis „Gran Duo Concertante“ und „Grande Allegro di Concerto alla Mendelssohn“ aufführen. Schmid wird darüber hinaus Mozarts fünftes Violinkonzert spielen und die A-Dur-Sinfonie KV 201 dirigieren.
Selten aufgeführte Sinfonie
Im Abschlusskonzert (2.10., 17 Uhr) begegnen sich Flöte und Harfe in Mozarts Doppelkonzert C-Dur KV 299, umrahmt von Schostakowitschs Präludium und Scherzo op. 11 und Frank Martins Flötenballade. Den Schlusspunkt setzt die c-Moll-Sinfonie des Mozart-Zeitgenossen Joseph Martin Kraus, der aufgrund seiner frühen musikalischen Begabung und den ähnlichen Lebensdaten oft auch „Odenwälder Mozart“ genannt wird.