Das Eclat Festival wurde 1980 unter dem Namen Tage für Neue Musik Stuttgart gegründet und heißt seit 1997 ECLAT. Mit diesem Begriff ist weniger der „Skandal” gemeint, den Neue Musik sehr wohl hin und wieder auslösen kann. Vielmehr verweist der Name auf den französischen Begriff „Éclat“ mit der Bedeutung „Glanz“ oder „Knall“. Unabhängig von den Assoziationen, die der Name hervorruft, hat das Festival seinen Ruf als Pilgerstätte für Entdecker und Risikofreudige stetig gefestigt.
Im Februar stellt die neue Generation von Komponistinnen, Literaten und Performance-Künstlern ihre aktuellen Werke vor. Bekannte Akteure wie das Ensemble Modern, die Neuen Vocalsolisten Stuttgart und das Zafraan Ensemble treffen auf neue Namen, Sicht- und Hörweisen. Unter den Ausführenden sind weitere Spezialisten auf dem Gebiet der Neuen Musik. Enno Poppe, Titus Engel, das Ensemble Mosaik oder das Ensemble Ascolta scheuen kein künstlerisches Risiko auf dem Weg zu neuen Sinnes-Erfahrungen. Auch Vertreter des Pariser IRCAM (Institut de recherche et coordination acoustique/musique, zu deutsch: Forschungsinstitut für Akustik/Musik) haben sich angekündigt.
Vielfältige Grenzüberschreitungen
Fünf Festivaltage bieten eine enorme Dichte an Uraufführungen und genreübergreifenden Veranstaltungen. Gleich das Eröffnungskonzert mit dem Ensemble Modern unter der Leitung von Enno Poppe setzt Maßstäbe. Auf dem Programm stehen Werke von Arnulf Herrmann, Milica Djordjevic und von Alex Paxton, der 2023 im Rahmen des Schleswig-Holstein Musik Festival den mit 20.000 Euro dotierten Hindemith-Preis erhält. Die Klänge des Komponisten und Posaunisten sind vom Jazz ebenso beeinflusst wie von volkstümlichen Musiktraditionen und Sounds aus Videospielen. Die Komposition „Lolli-Pop“ beschreibt der Engländer in seiner Ambiguität „wie Schlagzeug und Traummusik“. Arnulf Herrmann wiederum, seit 2014 Kompositionsprofessor an der Musikhochschule Saar, ist mit seiner Komposition „Hard Boiled Variations–15 ½ Cycles“ aus dem Jahr 2020 vertreten. Eine deutsche Erstaufführung steuert die in Belgrad geborene Komponistin Milica Djordjevic bei. Sie freut sich auf vielfältige Grenzüberschreitungen und betont: „Worauf es wirklich ankommt, ist, dass niemand gleichgültig bleibt.“
Die Auseinandersetzung mit der Sprache zieht sich wie ein roter Faden durch das Festival. Ihr Klang oder auch die Bedeutung der Wörter sind Ausgangspunkt und Objekt kreativer Auseinandersetzungen. An jedem Festivaltag zeigt die Reihe POETRY AFFAIRS eine Miniatur-Performance, die Lyrik mit anderen Künsten verbindet. Fünf Dichterinnen sowie fünf Komponistinnen und Komponisten aus zehn Ländern erkunden die Beziehungen von Sprache, Komposition und Vokalkunst. Gemeinsam mit den Neuen Vocalsolisten loten sie in szenischen Lesungen und Liedern die Möglichkeiten aus, die drei Genres miteinander zu verbinden. Die fünf kurzen Performances werden beim Festival im darauffolgenden Jahr bei ECLAT 2024 zu einer großen Erzählung zusammengeführt.
Fernab des Gewöhnlichen
Die Sprache steht auch im Mittelpunkt von Samir Odeh-Tamimis Musiktheater „Philoktet“. Der palästinensisch-israelische Komponist komponierte Musik zu Dramen von Sophokles, Heiner Müller und André Gide und entwickelte auch das Bühnenkonzept. Die Neuen Vokalsolisten und das Zafraan Ensemble werden „Philoktet“ am zweiten Festivalabend zur Uraufführung bringen.
Ein weiterer Höhepunkt ist das Konzert mit dem SWR Symphonieorchester unter Titus Engel mit gleich drei Uraufführungen. Stefan Keller und Zeynep Gedizlioglu werden ihre neuen Orchesterwerke vorstellen, Joonas Ahonen hebt als Solist ein Klavierkonzert von Bernhard Ganders aus der Taufe.
Der letzte Festivaltag wird der krönende Abschluss einer Reihe von Darbietungen fernab des Gewöhnlichen. Nach der letzten „poetischen Affäre“ für Countertenor und Elektronik erwartet das Festival für das Nachmittagskonzert mit dem Titel „Alter Ego“ Besuch aus Paris: Zwei Klangregisseure des IRCAM werden die Werke für Elektronik und Solo-Instrumente fachgerecht begleiten. Im Anschluss daran findet das Preisträgerkonzert zum Kompositionspreis der Landeshauptstadt Stuttgart 2022 statt. Schwebende Klänge eines Gitarrenquintetts, ein Video-Puppen-Instrument und eine Kammeroper zeigen die Innovationskraft der heutigen Kompositions- und Performance-Kunst.
Für alle neugierigen Menschen
Die Künstler und Künstlerinnen des Festivals ECLAT 2023 dürfen sich frei von thematischen oder ideologischen Vorgaben entfalten. Dies zieht seit einigen Jahren viele Kreative aus Osteuropa an, für die aktuell die digitale platformB entwickelt wurde. Mit einer Release-Party in der dritten Festivalnacht geht dieser Diskursraum für im Exil lebende Künstlerinnen aus Belarus, der Ukraine und Russland an den Start. Der Bildschirm wird hier zur eigenständigen Bühne für den künstlerischen Ausdruck.
Wie schon 2022 werden auch in der kommenden Ausgabe des ECLAT Festivals ausgewählte Produktionen im Internet als Videostreams zur Verfügung gestellt. Hybride Kunst gemeinsam in Stuttgart live zu erleben, aktiv am Diskurs über aktuelle Musik und Theaterkunst teilzunehmen und einen direkten Austausch zu pflegen, dazu lädt das ECLAT Festival 2023 im Februar alle neugierigen Menschen ein.