Für Hans-Christoph Rademann sind die „Sichten auf Bach“ das Herzstück des Musikfests Stuttgart, auf dem alle anderen Veranstaltungen aufbauen. Mit seinem Amtsantritt 2013 begann für das Festival eine neue Ära der Bachakademie. Sie war bereit für Änderungen, wollte ihren Wurzeln aber treu bleiben.
In diesem Jahr gibt es gleich sechs neue Perspektiven auf Johann Sebastian Bach. Den Beginn macht der charismatische und energiegeladene Lars Ulrik Mortensen. Wie kaum ein anderer steht der dänische Dirigent und Cembalist für Lebendigkeit, musikalische Intuition und interpretatorische Freiheit. Hans-Christoph Rademann selbst spürt in seinen „Sichten“ dem Wehen des Heiligen Geistes nach, und Andreas Staier macht sich am Ende der Reihe auf die Suche nach dem privaten Klang: Wie mag Hausmusik bei Familie Bach wohl geklungen haben? Weitere spannende Perspektiven bieten Václav Luks, das Vokalensemble Solomon’s Knot sowie das Capricornus Consort.
Eine weitere Neuerung kam vor zwei Jahren hinzu, wie Musikfest-Dramaturg Oliver Geisler erzählt: „Es war bereits für 2020 beschlossen, das Musikfest Stuttgart vom Herbst in den Frühsommer zu verlegen. Mit zwei Jahren Verzögerung können wir das jetzt umsetzen, es wird also das erste Festival in der neuen Konzeption werden, das nun auch stärker als bisher auf Kooperationen in der Stadt setzt, so dass der Festivalname, nämlich Musikfest Stuttgart, auch tatsächlich eingelöst wird.“ Neben den großen Sälen laden unter dem Motto #insparadies auch Kirchen und Clubs ein.
Zwischen dem Eröffnungskonzert mit Haydns „Sieben letzte Worte Jesu am Kreuze“ und dem Abschlusskonzert mit Schumanns „Das Paradies und die Peri“ erklingen die unterschiedlichsten Vorstellungen vom Paradies. Countertenor Valer Sabadus begibt sich mit SPARK auf die Suche nach der Liebe als dem Paradies auf Erden. Eigene Gedanken zu diesem Thema kann sich das Publikum mit Franz Liszts Klavierzyklus „Harmonies poétiques et religieuses“ mit Saskia Giorgini oder beim Jazz-Abend mit dem Emil Brandqvist Trio machen. Einen Kontrapunkt dazu bieten das Boulanger Trio und Sebastian Manz mit Messiaens „Quatuor pour la fin du temps“, das der Komponist 1941 im Kriegsgefangenenlager schrieb und in dem dennoch ein Funke Hoffnung mitschwingt.
Spannende Programme an außergewöhnlichen Orten bietet die Reihe „Unternehmen Musik“. Neben einem musikalisch-literarischen Abend mit Geigerin Franziska Hölscher und Schauspieler Ulrich Matthes im TRUMPF Auditorium Ditzingen horchen Trompeter Jeroen Berwaerts und Salaputia Brass im Mercedes-Benz Museum auf „Signals from Heaven“, während VOCES8 im Kärcher Auditorium in Madrigalen nach dem Paradies sucht und die Sehnsucht nach einer besseren Welt besingt.
Mystisch-Meditatives geschieht in der restaurierten Kirche St. Fidelis, wenn Barockgeigerin Mayumi Hirasaki gemeinsam mit Christine Schornsheim und Michael Freimuth den gesamten Zyklus der „Rosenkranz-Sonaten“ von Biber aufführt. Dabei schart sich das Publikum im Kreis um die Musiker und wird so Teil einer spirituellen Erfahrung. In neuem Licht soll in der Matthäuskirche Mozarts Requiem in einer Fassung für Streichquartett mit dem Eliot Quartett erstrahlen – ganz ohne Worte, dafür aber bereichert um optische Kunstwerke, die nur aus dem Moment heraus auf dem Visual Piano des Stuttgarter Lichtkünstlers Laurenz Theinert entstehen.